Essen. Die Landesregierung ist beim Thema Nikotin-Liquids vorgeprescht. Letztlich aber ist das ein - wahrscheinlich untauglicher - Versuch, einen Megatrend wieder einzufangen, der von den Gesundheitsbehörden bisher verschlafen wurde. Der Effekt wird gegen Null gehen - ein Kommentar

Man kann die Sache folgendermaßen sehen: Landesgesundheitsministerin Barabara Steffens (Grüne) fährt eine klare Kante beim Thema E-Zigaretten. Mit den Dampfern wird Nikotin inhaliert, Nikotin wirkt „in nennenswerter Weise“ (so die offizielle Begründung) auf Körperfunktionen. Damit fallen nikotinhaltige Liquids unter das Arzneimittelgesetz und sind apothekenpflichtig. Zudem warnt die Ministerin, dass die E-Zigarette gesundheitsschädlich ist, beziehungsweise die Langzeitwirkung nicht erforscht sei. Damit wird das restriktive Vorgehen gegen den Verkauf der nikotinhaltigen Inhalate begründet.

Man kann die Sache aber auch ganz anders sehen und nach dem Sinn der Übung fragen: Was ist gewonnen durch die Einschränkung des Verkaufs? In erster Linie haben ganz klar die Apotheken gewonnen, die sich nun einen Anteil an dem boomenden Geschäft mit dem Kippen-Ersatz sichern. Verloren haben all die Geschäfte, die in den vergangenen Monaten den Boom erkannt und sich eine Existenz damit aufgebaut haben. Für sie könnte sich der Minister-Erlass fatal auswirken.

Der Markt wird unübersichtlich bleiben

Auch für die Fans der Nikotin-Verdampfer ändert sich einiges: Statt im E-Zigaretten-Shop müssen sie nun in die Apotheke. Was das allerdings an den unerforschten Langzeitwirkungen der Liquids verändert, bleibt ein ministerielles Geheimnis. Angeblich nutzen bereits 1,2 Millionen Menschen den Glimmstängel – für viele ist es ein Weg, ohne die herkömmlichen Kippen auszukommen. Einige werden durch den Ministererlass vermutlich wieder zur analogen Kippe zurückzukehren (weshalb das Verkaufsverbot die konventionelle Tabakindustrie freuen wird) – mit allen gesundheitlichen Folgen. Die meisten werden jedoch auf die Warnungen vor möglichen Gefahren pfeifen (als Raucher ist man an dieser Stelle Kummer gewohnt) und sich sehr wahrscheinlich über das Internet mit Nikotin-Liquids für den Dampfer eindecken. Der Markt wird also so unübersichtlich bleiben, wie bisher - unter anderem auch, weil das Verbot der Nikotin-Dampfer von den Städten und Kreisen durchgesetzt werden muss, was in NRW ja beim normalen Rauchverbot auch schon nicht gelingt.

Auch Zigaretten werden nicht in der Apotheke gehandelt

In der Tat ist über die Inhaltsstoffe der E-Zigaretten und ihre Wirkung noch zu wenig bekannt. Die nikotinhaltigen Flüssgkeiten sind ganz sicher nicht ungefährlich. Nichts ist ungefährlich, was inhaliert wird. Und gelangen die Kartuschen in die Hände von Kindern, könnten sie sich damit vergiften. Aber all das trifft auch auf die handelsüblichen Zigaretten zu. Deren tödliche Wirkung ist mittlerweile bekannt – dennoch werden sie nicht in Apotheken gehandelt. Der Umgang der Politik mit dem Thema ist bekannterweise höchst zwiespältig: Erwähnt sei nur das Thema Tabaksteuer.

Das ministerielle Verkaufsverbot für die E-Zigaretten ist der – wahrscheinlich untaugliche - Versuch, eine Welle einzufangen, die die Gesundheitsbehörden schlicht verschlafen haben. Seit die ersten dieser Produkte auf den hiesigen Markt gelangten, sind immerhin zwei, drei Jahre vergangen, in der offensichtlich niemand das Phänomen so recht wahrgenommen hat – und so ein rechtsfreier Raum entstanden ist. Was die Nutzer der E-Zigarette nun erwarten können, ist, dass - neben dem Verbreiten von Aktionismus - nun an wichtigen Stellen nachgearbeitet wird. Nötig ist Transparenz: Also gesetzliche Vorgaben für und die Angabe von Inhaltsstoffen sowie eine möglichst rasche Erforschung der gesundheitlichen Langzeitfolgen des Dampfens.