London. Der populäre britische TV-Koch Jamie Oliver will Kindern Appetit auf Gemüse machen. Weil er der Fehlernährung mit Burgern und Pommes und den überflüssigen Pfunden den Kampf ansagen will. Denn Experten prophezeien: 2025 werden 40 Prozent aller Briten krankhaft übergewichtig sein.

Jamie Oliver ist einer der populärsten Fernsehköche der Welt. Seine größte Herausforderung bleibt der Kampf gegen die Fettleibigkeit von Kindern. Ein Besuch im Corelli College, dem Ort, an dem der Gourmet-Apostel 2004 die Revolution für Schulkantinen ausgerufen hat.

Greenwich im Süden der Hauptstadt ist ein Umfeld, das selbst die Schulleitung als „große Herausforderung“ bezeichnet: multi-ethnisch, hohe Kriminalität.

Billy Beswick, heute 16 Jahre, kann sich noch gut an die alte Schulspeisung erinnern: „Es gab Burger, Pommes, viel Pommes, und Turkey Twizzlers.“ Letzteres ist seit der Fernsehübertragung von Olivers Kantinen-Revolution zum Schock-Symbol dafür geworden, wie England seine Kinder abspeist: Geflügelschlachtabfälle werden in Panade gewälzt, zu Spiralen gepresst, gebraten und dann serviert. Über 20 Prozent Fett stecken in dem Produkt.

Drei Gänge für zwei Euro

Heute kann Billy sich kaum noch vorstellen, dass die Schule jemals frittierten Abfall auftischte. „Aber wir hatten keine Wahl“, sagt Schulrektorin Trisha Jaffe. „Die Bezirksregierung hat damals die Kantinen betrieben und finanziert.“

Es musste erst ein globaler Superstar mit seiner Koch-Crew und einem Fernsehteam die Kantine besetzen, bevor die Dinge sich änderten. „Er brachte dem Mensapersonal bei, dass man auch in Großküchen frische Zutaten verwenden kann, band nörgelnde Kinder in der Küche mit ein“, erzählt Karen Cronin, die das Projekt als Lehrerin begleitet.

Wraps und Curries sind heute die Favoriten, es gibt Lammfrikadellen, mehrere Gemüsesorten, Pasta Arrabiata und andere Kreationen, deren Namen man sonst nur auf Speisekarten im Restaurant finden würde. Für drei Gänge zahlen die Schüler rund zwei Euro.

Ein Etappensieg, mehr nicht

Nicht überall lief Olivers Mission so glatt. In Rotherham etwa traten Eltern in den Broccoli-Boykott, steckten weinenden Kindern die Turkey Twizzlers und Pommes durch den Schulzaun und echauffierten sich vor Fernsehkameras, dass der Koch sie als „asozialen Abschaum“ porträtiere. Doch er setzte sich durch: Die damalige Labour-Regierung verabschiedete Richtlinien, in denen sie die Nährwert von Schulspeisen vorschrieb.

Alle staatlichen Schulkantinen im Land mussten ihre Menüs überarbeiten. Ein Etappensieg, mehr nicht. „Ich mache mir Sorgen, dass die Konservativen alle unsere Verbesserungen ruinieren“, klagte Oliver jüngst der BBC.“

Die Prognose bleibt unappetitlich: Im Jahr 2025 werden 40 Prozent aller Briten krankhaft übergewichtig sein. Die Schulkantine ist damit der einzige Ort, wo landesweit an dem Problem gearbeitet werden könnte. Wegen der doppelten Berufstätigkeit der Eltern essen fast alle Kinder in der Mensa. Und nur hier kann genau kontrolliert werden, was sie verzehren.

Hühner und Bienen

Die Vorteile der Essensrevolution haben die Lehrer im Corelli College schnell gespürt: „Kohlenhydrate, der ganze Zucker – meine Güte, früher sind hier alle nach der Mittagspause wie verrückt herumgesprungen“, erinnert sich die Rektorin, „heute geht es wesentlich ausgeglichener zu.“ Die Universität Oxford hat festgestellt, dass Schüler in Klassenarbeiten nach dem Junk-Food-Verbot um fünf Prozent besser abschneiden.

Der Cola-Automat ist verschwunden. Es ziehen Hühner und Bienenstöcke auf dem Schulhof ein. Im Garten soll Gemüse angebaut und auf dem Markt verkauft werden. „Vor allem aber debattieren viele Schüler jetzt auch mit ihren Eltern über das, was Zuhause auf ihrem Teller landet“, weiß Billy. Er ist mittlerweile Vegetarier.