Berlin. In den 1950er Jahren rief das Schlafmittel Contergan Fehlbildungen bei ungeborenen Kindern hervor. Rund 2.400 Contergangeschädigte leben derzeit in Deutschland. Unter ihnen auch Ilonka Strebitz. Die 50-Jährige kam ohne Arme zur Welt.

Ilonka Stebritz kommt in ihrem Leben trotz ihrer Conterganschädigung eigentlich ganz gut zurecht. Sie wurde ohne Arme geboren und hat sich inzwischen mit vielem arrangiert. Trotzdem sind selbst kleine Dinge des Alltags für Betroffene wie sie um einiges schwieriger zu bewerkstelligen als für andere Menschen.

Das beginnt damit, dass Stebritz, die im Dezember 50 Jahre alt wird, ihre Haustür mit den Füßen öffnen muss, weil sie den Schlüssel mit ihren Händen nicht umdrehen kann. Auch bei ärztlichen Untersuchungen gibt es Probleme: Ihr Blutdruck kann nur am Bein gemessen werden und, seit sie Herzprobleme hat, müsste sie eigentlich häufiger auch zu Hause messen, "aber für zu Hause ein geeignetes Gerät zu finden, ist extrem schwierig. Und dafür jedes Mal zum Arzt zu fahren oder den Pflegedienst kommen zu lassen, ist sehr umständlich."

Fußlenkung kostet bis zu 30.000 Euro

Auch kann sie nicht mit einem herkömmlichen Auto fahren. Sie braucht eine Fußlenkung, und die einzubauen kostet Geld - ein Thema, das für Stebritz mit zunehmendem Alter immer wichtiger wird. Denn aufgrund mehrerer Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich, die eine Folge ihrer Behinderung sind, ist Stebritz vor sechs Jahren frühverrentet worden. Seitdem hat sie monatlich etwa 490 Euro weniger zur Verfügung als vorher.

Gleichzeitig sei ihr dadurch, dass sie nicht mehr arbeiten könne, der Zugang zu bestimmten Leistungen verschlossen, zum Beispiel ein Zuschuss für den Umbau eines Autos. In ein neues Auto eine Fußlenkung einzubauen, koste zwischen 15.000 und 30.000 Euro, sagt Stebritz. Es gebe zwar die Möglichkeit, über das Sozialamt einen solchen Zuschuss zu beantragen, "aber das ist schwierig, weil dort die Meinung vorherrscht, dass jemand, der nicht arbeiten geht, auch kein Auto braucht".

Schlafmittel Ursache für Erkrankung

Sie brauche es aber "zum Beispiel für Einkäufe, um zum Arzt zu fahren oder auch, um einfach am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen". Das Schlafmittel Contergan, das einen Wirkstoff enthielt, der Fehlbildungen bei Neugeborenen hervorrief, war am 27. November 1961 nach vier Jahren vom Markt genommen worden. Auch die Mutter von Ilonka Stebritz hatte während der Schwangerschaft das als harmlos und hochwirksam gepriesene Schlafmittel eingenommen.

Derzeit leben in Deutschland etwa 2.400 Contergangeschädigte. Einige von ihnen haben die gleichen Probleme wie Stebritz, anderen wiederum fehlen die Beine oder sie leiden an Missbildungen der Organe. Dem Bundesverband Contergeschädigter, dessen Sprecherin Stebritz ist, ist heute vor allem wichtig, dass diese mitunter sehr individuellen Bedürfnisse der Betroffenen beachtet werden. (dapd)