Essen.. Warum macht Organspende Angst? Beim TV-Talk „Hart aber fair“ lieferten sich Gegner und Skeptiker ein faires Duell. Mit dabei: SPD-Chef Frank-Walter Steinmeier, der selbst eine Niere spendete. Was viele nicht wussten: Auch er hätte ohne eine Organspende als Student sein Augenlicht verloren.

Organspende wurde in Deutschland erst 2010 ein akutes Thema – als der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere spendete. Was vorher die wenigsten wussten: Auch ihm wurde ein Organ gespendet. 1980 erhielt Steinmeier, damals ein Jurastudent kurz vorm Staatsexamen, eine Hornhautspende für sein linkes Auge. Eine Entzündung hatte den Studenten Steinmeier beinahe das Augenlicht gekostet. Seit der rettenden Operation von damals hat der ehemalige Blondschopf seine schlohweißen Haare. Einen Organspenderausweis trug Steinmeier laut eigener Aussage schon vorher bei sich.

Warum macht Organspende Angst?

Zweimal im Leben mit einer Organspende konfrontiert zu werden, prädestiniert Steinmeier zum Gast bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ zum Thema: „Im Sterben Leben schenken - warum macht Organspende Angst?“. Nicht nur aufgrund seiner eigenen Erfahrung plädiert Steinmeier in der Sendung für politisch verbindliche, neue Lösung, die zu mehr Organspenden führen.

Plasberg hat aber auch Gäste gefunden, die begründete Organspende-Skeptiker sind, allen voran der Arzt und Wissenschaftsjournalist Dr. Werner Bartens. Noch während seines Medizinstudiums, so erzählt er in der Sendung, war er dafür, doch seine Tätigkeit in Krankenhäusern hat ihn davon abgebracht. Er berichtet von der Frau eines gerade Verstorbenen, die von unsensiblen Ärzten zur Erlaubnis der Organentnahme genötigt wurde. „Die Frau fragte dann ganz naiv: Was wollen Sie denn von ihm haben? Und die Ärzte antworteten: Alles, was noch gut ist“. Seiner Meinung nach würden die Angehörigen in ihrer Trauer massiv gestört durch das Abfragen der Organspende. Das wiederum ist für Steinmeier ein Argument für eine verpflichtende Entscheidung gegen oder für eine Organspende zu Lebzeiten.

Leid durch Organspende

Der Arzt Bartens hat aber nicht nur im Bezug auf die Angehörigen Bedenken. Viele transplantierte Organe würden von dem Empfängerkörper abgestoßen, das verursache großes Leid. Die Organempfänger müssten zudem ihr Leben lang Medikamente nehmen. Außerdem wäre die Organspende an sich in Deutschland sehr schlecht organisiert – viele bereitwillige Spender würden gar nicht wahrgenommen. Bartens zitiert Statistiken, nach denen mehr Organspenderausweise nicht zwangsläufig zu mehr Spenden und Transplantationen führen.

Sein weitaus stärkstes Argument, das auch ein weiterer Gast der Sendung, der CSU-Politiker und stellvertretende Fraktionschef Johannes Singhammer vertritt, ist aber die falsche Definition von Tod. Der Hirntod sei als Begriff 1968 nur eingeführt worden, um den Todeszeitpunkt für die Organspende vorzuverlegen. „Es geht nicht um Verstorbene, sondern um Sterbende“. Der Arzt erinnert an die Fälle von schwangeren Hirntoten, die künstlich am Leben erhalten wurden, um das noch ungeborene Kind zu retten.

Das wurde zu einer der entscheidenden Fragen des Abends: Wie tot ist hirntot? Darauf weiß auch der vierte Gast der Runde, Gudrun Ziegler, keine Antwort. Sie erhielt 2003 eine Spenderleber und plädiert für die sogenannte Widerspruchslösung: Danach ist jeder Mensch automatisch Organspender. Nur der aktive Widerspruch zu Lebzeiten steht der Organentnahme entgegen.

Drei Lösungen

Dem gegenüber steht die sogenannte erweiterte Zustimmungslösung, die der CSU-Politiker Singhammer vertritt: Organspender wird danach nur jemand, der zu Lebzeiten aktiv zugestimmt hat oder dessen Angehörige das für ihn nach seinem Tod entscheiden. Singhammer selbst möchte kein Organspender werden, verzichtet aber laut eigener Aussage im Fall der Fälle auch auf Spenderorgane.

Die mittlere Haltung, die Entscheidungslösung, vertritt Steinmeier: Demnach muss sich jeder Mensch in seinem Leben frühzeitig dazu äußern.

All das wurde mit Bedacht und Besonnenheit diskutiert, Plasberg selbst bleibt als Moderator eher unscheinbar und im Gegensatz zu anderen TV-Talks bieten die Filmeinspieler in der Sendung einen wirklichen Mehrwert. In denen wurde unter anderem eine Mutter vorgestellt, die ihren Sohn durch einen Unfall verloren hatte. Ihrem Kind wurden sämtliche Organe entnommen, ohne dass ihr klar war, was das bedeutete.

Keine hitzige Debatte

Auch ein kontroverses Plädoyer für Organhandel wurde in einem kurzen Film vorgestellt. In diesem sieht Professor Peter Oberender lauter Vorteile in der Legalisierung – für bereitwillige Lebendspender in Finanznot und für bedürftige Kranke.

Selbst als die 18-jährige Leonie, die als Baby eine Spenderniere erhielt, vorgestellt wird, verliert sich Plasbergs Sendung nicht in Sozialkitsch, sondern wägt argumentativ ab. Gerade, weil es zu keiner hitzigen Debatte kam, war „Hart aber fair“ zum schwerwiegendem Thema Organspende gelungen. Es wurde klar argumentiert, nicht gestritten. Und damit viele Seiten eines schwierigen Themas mit vielen Lösungsansätzen gezeigt.

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