Washington. EKGs könnten demnächst noch effektiver über drohende Herzprobleme informieren. Denn mit neu entdeckten Signale, die man mit rechnergestützter Auswertung analysieren kann, lassen besondere Gefahren erkennen.

Neu entdeckte Signale in Langzeit-EKGs könnten zukünftig Zehntausende von Todesfällen bei Herzpatienten vermeiden helfen. Das berichten US-amerikanische Forscher im Fachmagazin "Science Translational Medicine". In den meist über 24 Stunden hinweg gemessenen Aufzeichnungen der Herztätigkeit mittels Elektroenzephalogramm (EKG) habe man drei Merkmale identifiziert, an denen sich besonders gefährdete Patienten erkennen ließen, sagen die Wissenschaftler. Diese seien so unauffällig, dass sie erst mittels rechnergestützter Auswertung gefunden werden konnten.

Ein Langzeit-EKG dient unter anderem dazu, Schäden am Herzen und damit Gefahren für Patienten nach einem Herzinfarkt festzustellen. Für die Ärzte sei es jedoch schwierig, nur durch Betrachten eines solchen EKGs alle wichtigen Signale herauszulesen - vor allem, wenn diese sehr subtil seien, sagen die Forscher. Die gesammelte Datenmenge sei einfach zu groß, um per Augenmaß komplett ausgewertet werden zu können. Hier könne die Technik wertvolle Hilfe leisten.

Trennung von Rauschen und Signalen

"Mit Hilfe fortgeschrittener Computertechnik können wir trennen zwischen bloßem Rauschen und den Signalen, die uns verraten, wie instabil das Herz wirklich ist", sagt Hauptautor Zeeshan Syed von der University of Michigan. Zeige ein Patient mindestens eines der drei ermittelten EKG-Signale, sei sein Risiko zwei- bis dreimal höher als normal, innerhalb eines Jahres nach einem überstandenen Infarkt zu sterben. Finde man alle drei Marker, sei das Sterberisiko um 50 Prozent erhöht, berichten die Forscher. Rechtzeitig erkannt, ließen sich diese Todesfälle jedoch mit einem Herzschrittmacher oder medikamentöser Behandlung vermeiden. "Das bedeutet, dass die Ärzte Zehntausende von Patienten mit einer effektiven, vorbeugenden Behandlung retten könnten", sagt Syed.

Da die neue Auswertungstechnik Daten nutze, die ohnehin routinemäßig von Krankenhäusern erfasst würden, könne das Diagnoseverfahren schnell und ohne großen Aufwand in die Praxis umgesetzt werden, meinen die Forscher. "Unsere Funde demonstrieren, dass nicht-invasive, kostengünstige und leicht zu erhaltende biometrische Daten wie das EKG genutzt werden können, um Patienten mit einem hohen Risiko für Komplikationen besser zu identifizieren", sagt Collin Stultz vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der Autoren der Studie.

Ein Viertel der Patienten stirbt innerhalb eines Jahres

In den Monaten nach einem Herzinfarkt sind Patienten besonders anfällig für Herzrhythmusstörungen. Nach Schätzungen der American Heart Association leiden rund ein Viertel aller Herzinfarktpatienten an solchen Komplikationen und sterben innerhalb eines Jahres nach dem Infarkt daran. In der Praxis sei es jedoch schwierig, die gefährdeten Patienten zu identifizieren und gezielt zu behandeln, sagen die Autoren der Studie. 70 Prozent der Patienten, die nach einem überstandenen Herzinfarkt an Komplikationen sterben, seien zuvor nicht als Risikokandidaten erkannt worden.

Unauffällige Gemeinsamkeiten in EKGs von Risikopatienten

Für ihre Studie werteten die Forscher Langzeit-EKGs von 4.557 Herzinfarktpatienten aus und verfolgten deren Werdegang über mehr als ein Jahr. Dabei stellten sie fest, dass die Patienten, die innerhalb dieser Zeitspanne Komplikationen entwickelten und daran starben, unauffällige Gemeinsamkeiten in ihren EKG-Daten aufwiesen. Eine davon mache sich als leichte, nur im Langzeitvergleich sichtbare Variation der scheinbar normal aussehenden Herzschläge bemerkbar, berichten die Forscher. Ein zweites Signal zeige sich in Veränderungen des Herzrhythmus und spiegele wieder, wie gut das Herz auf Impulse des Nervensystems reagiere. Das dritte Signal sei ein Maß dessen, wie sehr das EKG von denen anderer Patienten mit gleicher Krankheitsgeschichte abweiche. (dapd)