Kiel/Ihringen/München (dapd). Wenn die Blase ihren Dienst nicht mehr zuverlässig erledigt, kann das vielerlei Gründe haben. Anstatt verschämt darüber hinwegzugehen, sollten Betroffene die Ursache so schnell wie möglich ärztlich klären lassen, sagt Gynäkologe Manfred Steiner, Landesvorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte Baden-Württemberg. Zum einen komme so eine Blasenschwäche viel häufiger vor, als man meine: "Fast jede dritte Frau leidet irgendwann in ihrem Leben zumindest vorübergehend an Inkontinenz." Zum anderen sei das Problem nicht nur verbreitet sondern häufig auch lösbar: "Wir kennen heutzutage eine Vielzahl von Behandlungsmethoden, die eine Heilung oder zumindest eine deutliche Besserung des Leidens bringen."

Als häufigste Form der Inkontinenz bei Frauen nennt Steiner die sogenannte Stress- oder "Belastungsinkontinenz". Gemeint ist die Belastung der Blase durch Heben, Springen, Niesen oder auch Lachen. Sie führt dazu, dass unter Anstrengung unwillkürlich Urin abgeht. Der Grund sei meist eine Bindegewebsschwäche mit der Folge einer Gebärmuttersenkung oder auch ein Vorfall der Blase in Richtung Scheide. Das passiere häufig während der Schwangerschaft oder nach der Geburt, wenn die Beckenbodenmuskulatur stark belastet und gedehnt werde. Auch schwere körperliche Arbeit, Heben und Tragen oder Übergewicht schwächen laut Steiner den Beckenboden.

Die Therapie der Wahl liegt in einer Stärkung der betroffenen Muskulatur, berichtet der Mediziner. Auch Karin Schönig, Referentin am FrauenGesundheitsZentrum München, betont: "Regelmäßiges Beckenbodentraining - anfangs unter Anleitung, dann alleine zu Hause - kann die Beschwerden innerhalb von drei bis sechs Monaten deutlich reduzieren oder sogar ganz verschwinden lassen." Trete die Belastungsinkontinenz jedoch während oder nach der Menopause als Folge von Östrogenmangel auf, "können auch östrogenhaltige Salben oder Tabletten Besserung erreichen", fügt Gynäkologe Steiner hinzu.

Kennzeichen der fast ebenso häufigen Dranginkontinenz, im Volksmund Reizblase, ist dagegen ein starker, nicht unterdrückbarer Harndrang. Die Muskeln, die den Harn herauspressen, sind dabei überaktiv, oder aber Veränderungen an der Blasenwand führen zu der Fehlwahrnehmung, dass diese voll ist und geleert werden muss. "Die Ursachen für die Reizblase reichen von Entzündungen bis hin zu psychischen Problemen", erläutert Steiner.

In leichten Fällen helfen Blasentees, Wärme oder pflanzliche Medikamente, aber auch Blasentraining. Dabei lernt die oder der Betroffene, die Blase zu festgelegten Zeiten zu entleeren und kommt damit dem unvermittelten Harndrang zuvor.

Bei schwereren Formen der Dranginkontinenz werden auch krampflösende Medikamente eingesetzt, die bewirken, dass sich der Blasenmuskel nicht mehr unkontrolliert zusammenzieht.

Bei Männern liegt eine der Hauptursachen für Dranginkontinenz bei einer vergrößerten Prostata, berichtet Klaus-Peter Jünemann, Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft und Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie Universitätsklinikum Kiel. "Leichtere Formen sind manchmal mit pflanzlichen Medikamenten wie Kürbis, Brennnessel oder Sägepalme behandelbar. Darüber hinaus können ärztlich verschriebene sogenannte Alpha-Rezeptorenblocker den Blasenverschluss auflockern. Dadurch vermindert sich die Restharnmenge, die nach dem Toilettengang in der Blase zurückbleibt und unkontrolliert entweichen könnte." Sei die Prostata sehr groß, solle man allerdings eine Operation in Erwägung ziehen.

Diese sollte aber immer der letzte Weg sein, darin sind sich die Mediziner einig. "So, wie es individuell ganz verschiedene Arten der Inkontinenz gibt, gibt es auch vielversprechende individuelle Lösungen", berichtet Gynäkologe Steiner, "sie sollten zuvor alle gründlich ausgelotet werden".

dapd