Berlin/Köln (dapd). So jung - und schon so viele Spritzen? Das fragen sich manche Eltern, die mit dem Impfpass in der einen und ihrem Nachwuchs an der anderen Hand in der Arztpraxis auf den entscheidenden Pieks warten. Impfungen schützen die Kleinen vor schweren Infektionen, betont Impfexpertin Yvonne Deleré vom Berliner Robert Koch Institut. Denn die sogenannten "Kinderkrankheiten" verlaufen längst nicht immer harmlos. "Auch wenn einige Menschen glauben, eine durchgemachte Krankheit stärke den Organismus des Kindes: Der Preis dafür kann hoch sein - bei Masern etwa eine Gehirnentzündung, die eine lebenslange geistige Behinderung zur Folge haben kann." Werde der Impfschutz auch im späteren Leben regelmäßig aufgefrischt, sei er genauso stark wie der nach einer durchgemachten Krankheit.
Die Impfungen selbst laufen meist nach folgendem Prinzip ab: Abgeschwächte Krankheitserreger oder Teile davon werden in einen Muskel gespritzt. Der Körper bildet dann eigene Abwehrstoffe, die ihn über viele Jahre, manchmal sogar ein Leben lang gegen die Krankheit schützen. Fachleute unterscheiden dabei zwischen Tot- und Lebendimpfstoffen, erläutert Marita Völker-Albert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. "Totimpfstoffe enthalten abgetötete Teile des Krankheitserregers, oder solche, die sich nicht mehr vermehren können. Sie werden beispielsweise gegen Hepatitis B, Hib, Kinderlähmung, Keuchhusten, Humane Papillomviren und Tetanus eingesetzt und sind gut verträglich." Lebendimpfstoffe enthalten dagegen geringe Mengen lebender abgeschwächter Krankheitserreger, durch die die Erkrankung selbst aber nicht ausgelöst werden kann. Sie werden gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken verabreicht. "In seltenen Fällen kann es mehrere Tage nach der Masern-Impfung zu sogenannten Impfmasern kommen, die in der Regel harmlos verlaufen und nicht ansteckend sind", sagt Völker-Albert.
Damit der Körper nach einer Impfung ausreichend Antikörper sowie Gedächtniszellen für einen langanhaltenden Schutz bilde, müsse er bei einigen Impfungen in mehreren Einheiten trainiert werden. Deshalb werde die jeweilige Impfung in bestimmten Abständen wiederholt. "Man spricht von einer 'aktiven Impfung', da der Körper dabei zur Bildung von Antikörpern angeregt wird." Ein sicherer Impfschutz sei erst nach allen empfohlenen Teilimpfungen erreicht. Auffrischungsimpfungen bei Jugendlichen und im Erwachsenenalter dienten dazu, dass sich das Immunsystem nochmals "erinnert". Für Jugendliche und Erwachsene ist vor allem wichtig, dass sie ihre Impfungen im Abstand von zehn Jahren regelmäßig auffrischen lassen.
Bei einigen Krankheiten besteht darüber hinaus die Möglichkeit, durch eine sogenannte passive Impfung einen sofortigen Schutz aufzubauen. "Das kann nötig sein, wenn jemand aktuell mit einem Erreger in Kontakt gekommen ist." Bei der passiven Impfung werden Konzentrate aus Antikörpern gespritzt, die von Menschen stammen, die diese Erkrankung bereits durchgemacht haben. Im Unterschied zur aktiven Impfung bietet die passive Impfung einen sofortigen Schutz, erklärt Völker-Albert: "Der hält allerdings nur für ungefähr drei Monate an."
Die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) empfiehlt, Kinder bis 12 Jahre auf jeden Fall gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio und Hepatitis B zu impfen. Diese Impfungen können im "Sechserpack" gegeben werden, berichtet Präventionsspezialistin Deleré. "Das reduziert die Menge an Zusatzstoffen (vor allem Konservierungs- und Beschleunigungsstoffe) erheblich. Außerdem sind die modernen Kombi-Präparate meist besser verträglich als die älteren Einzelstoffe." Auch die ebenfalls von der STIKO empfohlene Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln wird in der Regel als Kombination gegeben.
In den vergangenen Jahren hat das Robert Koch Institut zu diesen neun klassischen Kinderimpfempfehlungen noch vier weitere hinzugefügt: Erstens: Windpocken. Sie können laut Deleré auch bei Kindern schwer verlaufen. "Selbst nachdem sie ausgeheilt sind, können die Viren in bestimmten Bereichen der Nervenendigungen hängen bleiben und zu einem späteren Zeitpunkt eine Gürtelrose hervorrufen." Zweitens: Pneumokokken. Sie sind vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern die häufigsten Erreger schwer verlaufender Infektionen durch Bakterien. Sie verursachen schwere Erkrankungen wie Hirnhaut-, Lungen- oder auch Mittelohrentzündungen. Drittens: Meningokokken. Die Bakterien treten weltweit auf und können eine Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung auslösen. Viertens hat die STIKO eine Impfempfehlung gegen Humane Papillomviren (HPV) zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren ausgesprochen.
Menschen, die gesundheitlich vorgeschädigt sind, aber auch Schwangeren oder Senioren sollten sich gegen Grippe impfen lassen. "Sie verringert das Krankheitsrisiko und senkt die Wahrscheinlichkeit schwerer Komplikationen", sagt Deleré. Je nach Region sei auch ein Impfschutz gegen die von Zecken übertragene Hirnhautentzündung (FSME) sinnvoll.
dapd