Berlin. . Ob Pillen gegen Schlaflosigkeit oder Stimmungsaufheller: Pharma-Firmen sollen bald auch für Medikamente werben dürfen, die abhängig machen. Experten fürchten Risiken für die Verbraucher.
Die strengen Regelungen zur Arzneimittelwerbung sollen einem Zeitungsbericht zufolge gelockert werden. Dies geht aus einem Arbeitspapier des Bundesgesundheitsministeriums hervor, wie die „Berliner Zeitung“ (Montagsausgabe) berichtete.
Nach den Plänen aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist demnach unter anderem vorgesehen, dass Pharmakonzerne künftig für Medikamente gegen Schlaflosigkeit und zur Beeinflussung der Stimmungslage, so genannte Stimmungsaufheller, werben dürfen. Das ist bislang verboten, weil diese Arzneimittel abhängig machen können. Dem Arbeitspapier zufolge soll die Pharmaindustrie künftig auch mit ausgewählten Studien, Gutachten, Zeugnissen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen für freiverkäufliche Medikamente werben dürfen.
Experten warnen nach dem Bericht der „Berliner Zeitung“ vor den Änderungen. „Die Lockerungen scheinen nicht geeignet, die zuverlässige Information der Verbraucher zu erhöhen“, sagte Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharmaindustrie erfüllen“, zitiert die Zeitung zudem den Arzneimittelexperten Gerd Glaeske von der Universität Bremen. Die Hersteller könnten diese Gutachten gezielt zu Werbezwecken nutzen. Verbraucherschützerin Köster-Steinebach verweist zudem auf Verständnisprobleme: „Selbst in Fachkreisen, also bei den verordnenden Ärzten, werden Studienberichte nicht immer richtig verstanden.“
Informationen auch im Internet
Wie es in dem Bericht weiter heißt, sollen künftig auch autorisierte Informationen über Arzneimittel, wie etwa auf Beipackzetteln, im Internet veröffentlicht werden dürfen. Damit setze das Ministerium ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes und eine EU-Richtlinie um. Arzneimittelforscher Glaeske hält es allerdings für problematisch, wenn sich Patienten im Internet informieren, statt sich von Apothekern und Ärzten beraten zu lassen, berichtet die Zeitung weiter. Studien hätten nachgewiesen, dass Beipackzettel von großen Teilen der Bevölkerung nicht genau verstanden werden und Beratung notwendig sei.
Auch die Positiv-Werbung mit Patientenschicksalen und Krankengeschichten für ein Medikament soll künftig erlaubt sein. Da die Wirkung eines Medikaments aber nicht bei jedem Patienten gleich ist, hält Glaeske auch diesen Vorschlag für problematisch. Einzelfälle könnten nicht so dargestellt werden, als ob sie Allgemeingültigkeit hätten.
Mit der Neuregelung würden Bemühungen konterkariert, nur wissenschaftlich solide Informationen zu verbreiten. „Das ist völlig bekloppt“, so das Urteil des Experten in der „Berliner Zeitung“.epd