Marburg/Jena. . Windpocken sind zwar vor allem als Kinderkrankheit bekannt. Doch auch Erwachsene können sich mit dem Virus infizieren und müssen dann mit mehr Komplikationen rechnen - bis hin zum Tod. Vier Prozent der 18- bis 40-Jährigen sind nicht geimpft.

Fast jeder Mensch erkrankt einmal in seinem Leben an Windpocken. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gehören Windpocken zu den häufigsten Krankheiten hierzulande, gegen die man sich impfen lassen kann.

Die meisten infizieren sich in der Kindheit und erinnern sich auch später noch gut an die mit klarer Flüssigkeit gefüllten, stark juckenden und linsengroßen Bläschen und Papeln, die Kopfschmerzen und das Fieber. Die Windpocken sind zwar unangenehm, aber bei ansonsten gesunden Kindern oder Jugendlichen verläuft die Erkrankung meistens harmlos. "Bei fünf, sechs Prozent der erkrankten Kinder kommt es aber zu Komplikationen wie beispielsweise einer bakteriellen Superinfektion", sagt Peter Wutzler, Virologe und Leiter des Instituts für Virologie und Antivirale Therapie an der Universität Jena. Das könne passieren, wenn die Papeln aufgekratzt werden und sich entzünden. In diesem Falle könne es zu bleibenden Narben kommen.

Auch Erwachsene können sich infizieren

Windpocken sind zwar vor allem als Kinderkrankheit bekannt. Doch auch Erwachsene können sich mit dem Virus infizieren und müssen dann mit mehr Komplikationen rechnen. "Im Alter wird der Krankheitsverlauf deutlich schwerer als bei Kindern und die Komplikationsrate ist um 25 Prozent höher", sagt der Wissenschaftler. Erkrankte Erwachsene sterben Wutzler zufolge wesentlich häufiger als Kinder.

Bei Erwachsenen mit Windpocken käme es außerdem eher zu Folgekomplikationen wie einer Lungenentzündung oder einer Enzephalitis. Besonders gefährlich - zum Teil sogar lebensgefährlich - könne die Infektion für Schwangere und ungeborene Kinder sowie Hochrisikopatienten etwa mit Immunsuppression, Krebs oder HIV werden.

Ansteckungsgefahr bestehe allerdings nur für diejenigen Erwachsenen, die im Kindesalter keine Windpocken hatten beziehungsweise für jene, die nicht geimpft sind. "Das sind heute etwa vier Prozent der 18- bis 40-Jährigen", sagt Wutzler.

Erkrankte tragen den Erreger lebenslang in sich

Auslöser der Windpocken ist das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das in der Regel durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. "Anstecken kann man sich aber auch über eine Schmierinfektion, wenn man mit der Flüssigkeit in den Windpockenbläschen in Kontakt kommt", sagt Wutzler. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 12 bis 16 Tage. Bereits ein bis drei Tage, bevor bei dem Erkrankten Hautauschlag sichtbar wird, kann man sich über Tröpfcheninfektion schon mit dem Virus anstecken. Erkrankte bleiben bis etwa sieben Tage nach Auftreten der letzten Pusteln ansteckend.

"Jeder, der einmal an den Windpocken erkrankt ist, trägt den Erreger ein Leben lang im Körper", sagt Sigrid Ley-Köllstadt, Medizinerin beim Deutschen Grünen Kreuz in Marburg. Es könne jedoch Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis der Erreger wieder aktiv werde und dann die Gürtelrose (Herpes Zoster) auslöse. Typisch für die Gürtelrose seien extrem schmerzende Hautareale meistens im Rumpfbereich, auf denen sich der typische Hautausschlag ausbreite. Die häufigste Komplikation seien chronische Nervenschmerzen, die Monate oder sogar Jahre andauern könnten und besonders bei Menschen jenseits von 50 Jahren aufträten. "Herpes zoster kann zwar auch bei Personen, die mit einer Lebendvakzine gegen Varizellen geimpft wurden, auftreten", sagt Ley-Köllstadt mit Verweis auf Informationen des Robert-Koch-Instituts über Varizellen und Zoster. Aber Studien zur Varizellenimpfung hätten ergeben, dass die Herpes-zoster-Häufigkeit bei geimpften Kindern geringer war als in einer ungeimpften Kontrollgruppe.

Windpocken sind nicht meldepflichtig

"Im Alter lässt die Abwehrkraft nach und das kann dazu führen, dass das Virus wieder aktiv wird", sagt Ley-Köllstadt. Aber auch eine andere Infektion oder Stress könne eine Gürtelrose auslösen. Laut Robert-Koch-Institut erkranken etwa 20 Prozent der Bevölkerung einmal im Leben an einem Zoster.

Vor allem Frauen mit Kinderwunsch sollten vor einer Schwangerschaft klären, ob sie tatsächlich - nach einer überstandenen Windpockenerkrankung in der Kindheit oder nach einer Impfung - immun gegen den Varizella-Zoster-Virus sind. Der Arzt kann das mit einer Blutuntersuchung feststellen. "Auch wer sich zu erinnern glaubt, als Kind Windpocken gehabt zu haben, sollte das vor einer Schwangerschaft unbedingt klären", betont Ley-Köllstadt, denn es komme es vor, dass bei Kindern fälschlicherweise die Windpocken diagnostiziert werden.

Von 10.000 Schwangeren infizierten sich bis zu sieben Mütter erstmals mit dem Virus. Genaue Angaben hierzu gibt es nicht, weil Windpocken keine meldepflichtige Krankheit sind. Eine Infektion der Mutter könne je nach Schwangerschaftswoche zu unterschiedlichen Komplikationen beim Kind führen. "Zu nennen sind eine potenziell lebensbedrohliche Lungenentzündung beim Neugeborenen oder schwere Missbildungen des ungeborenen Kindes wie narbige Hautveränderungen und neurologische Erkrankungen", sagt Ley-Köllstadt. (dapd)