Brüssel/Berlin. . Nachdem Gurken aus Spanien als mögliche Infektionsquelle für den gefährlichen Ehec-Keim ausgemacht wurden, gibt es Kritik am Robert-Koch-Institut. Die Empfehlung, auf Gemüse aus der Region zu verzichten, verunsichere Verbraucher, hieß es.

Nach dem Fund des gefährlichen Darmkeims Ehec auf spanischen Salatgurken ist das Robert-Koch-Institut (RKI) in die Kritik geraten. „Das Robert-Koch-Institut muss sich umgehend bei den deutschen Landwirten entschuldigen“, forderte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese in Brüssel.

Der Gesundheitsexperte bezog sich auf die Warnung des RKI, angesichts der EHEC-Infektionen in Norddeutschland besser keine Tomaten, Gurken und Blattsalate zu verzehren. „Wer sich ein bisschen in dem Bereich der Lebensmittelproduktion auskennt, weiß, dass Menschen in Norddeutschland nicht nur Produkte essen, die in Norddeutschland angebaut wurden.“

Große Verunsicherung

Die Verunsicherung der Verbraucher durch die „aus meiner Sicht falschen Empfehlung des Robert-Koch-Instituts ist groß“, sagte Liese. Er rief die EU-Kommission und das Europäische Gesundheitsamt (ECDC) auf, sich des Falles anzunehmen, da dieser inzwischen zu einem europäischen Problem geworden sei.

Am Donnerstagvormittag hatte das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt mitgeteilt, dass der gefährliche Ehec-Keim an vier Salatgurken festfestellt worden sei – drei davon stammten aus Spanien, von der vierten sei die Herkunft vorerst noch unklar, so die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD).

Landwirtschaftskammer erwartet Umsatzeinbußen

Die Landwirtschaftskammer NRW erwartet derweil wegen der Ehec-Angst Umsatzeinbußen für heimische Gemüsebauern. „Viele Verbraucher, aber auch Großkunden verzichten derzeit auf Rohkost“, sagte ein Sprecher.

Er verwies darauf, dass die heimische Freiland-Gemüsesaison gerade erst begonnen hat. „Gemüse aus Deutschland, das bis jetzt auf dem Markt ist, stammt mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Gewächshäusern. Es kann also gar nicht mit Gülle in Kontakt gekommen sein.“ Er rät Verbrauchern, beim Einkauf auf die gesetzlichen Herkunftsbezeichnungen bei Obst und Gemüse zu achten.

NRW-Verbraucherministerium überprüft Gemüse-Anbieter

Das NRW-Verbraucherministerium teilte mit, dass es derzeit „keine Indizien dafür“ gebe, „dass Gemüse aus NRW mit Ehec-Keimen belastet ist und als ursächliche Quelle der Erkrankungen gilt“. Es sei wichtig, nicht nur den Übertragungsweg zu identifizieren. Wichtiger sei es, „alle Quellen zu finden“. Das Ministerium bereite deshalb eine „landesweite Untersuchung von Gemüse-Anbietern vor, die Bewässerungen ihrer Felder aus Oberflächengewässer vornehmen.“ Wann erste Ergebnisse vorliegen, sei noch nicht abschätzbar.

Unterdessen hat die Ehec-Welle womöglich weitere Todesopfer gefordert: In Hamburg wurde ein Mann tot in seiner Wohnung gefunden; eine vorläufige Obduktion ergab, dass der 38-Jährige an einer Durchfallerkrankung gelitten habe. Er soll, so die Angaben der Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), in einer Frankfurter Unternehmensberatung gearbeitet haben, in der bereits mehrere Fälle von Ehec-Infektionen aufgetreten waren. Er habe sich jedoch seit Wochen nicht mehr direkt in dem Unternehmen aufgehalten, hieß es.

RKI meldet 214 Fälle

Die Todesursache der jungen Frau, die bereits am Dienstag in Bremen gestorben war, ist laut „Hamburger Abendblatt“ zweifelsfrei eine Ehec-Infektion gewesen.

Der Ehec-Erreger breitete sich derweil weiter aus. Das RKI meldete am Donnerstag 214 Fälle des sogenannten hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS). Das durch die Ehec-Bakterien verursachte HUS kann zu akutem Nierenversagen führen. Am Mittwoch waren dem RKI erst 140 HUS-Fälle bekannt gewesen. Die hohe Zahl der schweren Verläufe von Ehec-Infektionen ist extrem ungewöhnlich. Sonst gibt es pro Jahr nur rund 60 Fälle. Es wurden auch bereits erste Todesfälle im Zusammenhang mit dem aktuellen Ausbruch gemeldet. Die Inkubationszeit – also jene Phase zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit – liegt laut RKI zwischen zwei und zehn Tagen. Durchschnittlich seien es drei bis vier Tage.

Auch in anderen Ländern gibt es mittlerweile Verdachtsfälle von EHEC-Infektionen. „Verdachtsfälle in Schweden, Großbritannien und den Niederlanden bei Menschen, die kürzlich nach Deutschland gereist waren, stehen unter Beobachtung“, teilte der Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli mit. Wie die Nachrichtenagentur dapd berichtete, bestätigte das dänische Gesundheitsministerium zudem einen ersten Fall. (dapd/afp/we)

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