Münster/Osnabrück. .

Gesundheitsexperten haben eine erste Infektionsquelle für den gefährlichen Durchfallerreger Ehec nachgewiesen. Am Hamburger Hygieneinstitut sei das Bakterium an vier Salatgurken gefunden worden, sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Donnerstag in der Hansestadt. Drei der Gurken stammten aus Spanien, von der vierten sei die Herkunft vorerst noch unklar. Alle entsprechenden Produkte würden aus dem Warensortiment genommen, sagte die Senatorin. Die Verbraucher wurden aufgerufen, auf den Verzehr von Salatgurken zu verzichten.

Wie der Leiter der Lebensmittel- und Mikrobiologie des Hamburger Hygieneinstituts, Anselm Lehmacher, sagte, stammen die belasteten Gurken von Proben aus dem Hamburger Großmarkt. Drei der Gurken kämen von zwei spanischen Zulieferern, die dem Hygieneinstitut bekannt seien. Bei einer der Gurken handle es sich um ein Bio-Erzeugnis.

Schon zuvor hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) erklärt, der Krankheitserreger sei nicht durch heimisches Gemüse in die Lebensmittelkette geraten. Derzeit würden noch keine im Freiland gezogenen Tomaten und Gurken geerntet, schon gar nicht in Norddeutschland.

Am Mittwoch hatte das RKI wegen des EHEC-Ausbruchs vor dem Verzehr von rohen Tomaten, Salatgurken und Blattsalat gewarnt. Eine Studie habe ergeben, dass Patienten, die an der lebensbedrohlichen Darminfektion durch den EHEC-Erreger erkrankt seien, diese Gemüsesorten deutlich häufiger gegessen hätten als gesunde Vergleichspersonen. Die Warnung des RKI, allgemein vorsichtig mit Rohkost zu sein, gelte weiterhin, sagte die Senatorin.

Erregertyp besonders resistent

Forscher des Uni-Klinikums Münster haben derweil den Ehec-Typ identifiziert, der für die Welle von gefährlichen Darminfektionen in Deutschland verantwortlich ist. Wie das Uni-Klinikum am Donnerstag mitteilte, stellten die Forscher am späten Mittwochabend fest, dass es sich um "einen Vertreter des Typs "HUSEC 41" des Sequenztyps ST678" handelt.

Den Angaben zufolge ist dies einer von "42 repräsentativen Ehec-Typen", die seit 1996 in Deutschland bei Patienten aufgetreten ist. Mit diesem Ehec-Typ sei es bislang weder in Deutschland noch weltweit zu dokumentierten Ausbrüchen gekommen. Der Ehec-Typ sei ein "alter Bekannter", der bislang nicht "auffällig in Erscheinung getreten" sei, sagte der Direktor des Instituts für Hygiene des Uni-Klinikums, Helge Karch. Nach ersten Erkenntnissen ist der Ehec-Typ besonders resistent und spricht unter anderem auf Penicillin nicht an.

Ebenfalls ungewöhnlich bei der aktuellen Fällen: Der Zeitraum zwischen dem Auftreten des Durchfalls und des Beginn der schweren HUS-Symptome - Blutarmut und Nierenversagen - sei besonders kurz, sagte Prof. Dr. Georg Peters, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie. Zum Teil überlappten beide Phasen sogar.

Laut dem Klinikum begannen Karch und sein Team mit der Entwicklung eines Testverfahrens, mit dem bei Patienten mit Verdachtsfällen eine schnelle Bestätigung der neuen Erregervariante durchgeführt werden soll. Der Test solle in wenigen Tagen zur Verfügung stehen. Dieser solle auch helfen, die Epidemiologie von "HUSEC 41", "zu der wir noch nichts wissen, aufzuklären", betonte Karch. Die Identifizierung der Erregervariante sei "ein wichtiger Schritt auf der Suche nach den Übertragungswegen".

Mann in Hamburg tot in seiner Wohnung gefunden

In Deutschland gibt es nach RKI-Angaben bislang rund 140 Fälle schwerer Erkrankungen. Insgesamt haben sich bisher rund 400 Menschen mit dem aus Rinderkot stammenden Durchfallerreger angesteckt. Allein im Universitätsklinikum Münster (UKM) werden aktuell "mehr als zehn Patienten" mit Blutwäsche und Dialyse behandelt. Die Klinik sei regelrecht "überflutet worden von Patienten", sagte UKM-Direktor Prof. Norbert Roeder.

Unterdessen hat die Ehec-Infektion möglicherweise auch in Hamburg ein Todesopfer gefordert. Wie die Gesundheitssenatorin sagte, wurde am Dienstag ein Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden. Eine vorläufige Obduktion der Leiche am Donnerstag habe ergeben, dass der 38-Jährige an einer Durchfallerkrankung gelitten habe. Ob der Ehec-Erreger jedoch dafür die Ursache gewesen sei, stehe noch nicht fest und müsse anhand weiterer Labortests überprüft werden.

Laut Prüfer-Storcks arbeitete der Mann in Hamburg für eine Frankfurter Firma, in der bereits 19 Fälle von Ehec-Infektionen aufgetreten waren. Er habe sich nach Erkenntnissen der Behörde jedoch seit drei Wochen nicht mehr in dem Unternehmen direkt aufgehalten. Nähere Angaben zu dem Toten und den weiteren Umständen lagen zunächst nicht vor.

EU will europaweit Alarmstufe 1 ausrufen

Die EU wird wegen der EHEC-Epidemie in Deutschland bald europaweit die Alarmstufe 1 ausrufen. Das sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im EU-Parlament, Jo Leinen (SPD), der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Die EU-Kommission und wir im Parlament nehmen die besorgniserregende Entwicklung in Deutschland sehr ernst. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der gefährliche Ehec-Erreger auch auf andere EU-Länder überspringt“ erläuterte Leinen. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten in Stockholm sei bereits eingeschaltet worden. Bei der Alarmstufe 1 werden alle Mitgliedsländer der EU aufgerufen, Maßnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerungen einzuleiten. (shu/dapd)