Köln/Wiesbaden (dapd). Vier von fünf Menschen tragen Pilzerreger in ihrem Darm. Selbst Kinder und Säuglinge sind betroffen. Das klingt bedrohlich, ist aber zunächst einmal kein Grund zur Sorge - solange die Pilze nicht überhandnehmen und solange das ökologische Gleichgewicht im Darm stimmt, wie Professor Richard Raedsch, Internist am St. Josefs-Hospital Wiesbaden und Sprecher des Berufsverbandes Deutscher Internisten, erläutert: "Riskant wird es aber, wenn das Immunsystem geschwächt ist und sich die Pilze unkontrolliert vermehren können."
Denn dann kann eine Pilzinfektion, genannt Soor, die Haut befallen und dazu führen, dass sich vor allem Hautfalten beispielsweise unter den Achseln oder in der Analregion, aber auch die Mund- und Rachenschleimhaut, Speiseröhre oder Geschlechtsorgane schmerzhaft entzünden. Gefährdet seien vor allem Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, aber auch Patienten mit Diabetes oder Krebs, erläutert Raedsch. Selbst ganz gewöhnliche hormonelle Umstellungen - etwa während Schwangerschaft oder Menopause - könnten das Immunsystem schwächen. Eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen Medikamente wie Antibiotika, Kortison oder auch Immunsuppressiva, die bei schwerem Asthma oder auch nach Organtransplantationen verabreicht werden.
Diese Mittel sollen und können Bakterien abtöten. Dabei rücken sie nicht nur "schlechten" sondern auch "guten" Bakterien zu Leibe, die zum Beispiel Pilzsporen unschädlich machen. Das ökologische Gleichgewicht zwischen Pilzen und Bakterien wird gestört und die Pilze haben leichtes Spiel. "Oft beginnt damit ein Teufelskreis", erläutert Frank Herfurth vom Verband Unabhängiger Heilpraktiker in Köln. "Das Immunsystem verwendet viel Energie auf den Hefepilz und diese Energie steht nicht mehr für die Immunabwehr zur Verfügung."
Pilze und andere Keime stürzten sich zudem auf Nährstoffe und entzögen dem Körper lebenswichtige Vitamine und Mineralstoffe. Im schlimmsten Fall produzierten sie Giftstoffe, die durch die Darmwand in die Blutbahn gelangen könnten. So könne ein sich unkontrolliert vermehrender Darmpilz auch ganz anderen Erkrankungen Vorschub leisten. "Das sind neben bekannten Pilzerkrankungen und Verdauungsbeschwerden auch weniger bekannte wie beispielsweise Immunschwäche oder Depressionen", berichtet Herfurth. Schulmediziner Raedsch mahnt hier allerdings zur Vorsicht: "Darmpilze sind schon für alle möglichen Krankheiten und Empfindlichkeiten verantwortlich gemacht worden, von Herzbeschwerden über Migräne bis hin zu Libidoverlust. Das lässt sich längst nicht immer wissenschaftlich belegen."
Für die Diagnose wird eine Pilzkultur angelegt und mikroskopisch untersucht. "Das wird aber nicht standardmäßig gemacht, sondern nur dann, wenn der Verdacht auf Darmpilze naheliegt", erläutert Raedsch. So etwa bei Patienten, die immer wieder an Magen-Darm-Beschwerden leiden oder häufig Medikamente einnehmen müssen, die der Darmflora schaden. Dabei wird die Keimzahl pro Gramm im Stuhl bestimmt. Im Normalfall liege sie unter 10.000, erklärt Internist Raedsch. Als bedenklich gälten über eine Million Keime pro Gramm. "Was dazwischen liegt, ist zwar nicht besorgniserregend, sollte aber beobachtet werden." Eine weitere, noch genauere Diagnosemöglichkeit ist der sogenannte Candida-Albicans-Antikörpertest, der an Blutserum durchgeführt wird.
Wird der Pilz in einer schädlichen Konzentration nachgewiesen, müsse er sofort mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden, betont Raedsch: "Sonst kann es zu schweren Entzündungen an Mundhöhle, Speiseröhre, Enddarm und auch im Scheidenbereich kommen, schlimmstenfalls sogar zu einer Pilzsepsis, einer Pilzvergiftung des Blutes, die auch die inneren Organe angreift und sogar zu Organversagen führen kann."
dapd