Berlin/Bonn (dapd). Die Sonne scheint, die Krokusse sprießen, Vögel zwitschern - nur unter den Menschen herrscht das große Gähnen. Ganz anders als die Natur um sie herum wirken viele Menschen im Frühjahr zunächst einmal recht saft- und kraftlos. Ein Widerspruch sei das nicht, erklärt Chefarzt Dieter Kunz von der Abteilung für Schlafmedizin des St. Hedwig-Krankenhauses in Berlin. "Unser Körper muss sich erst darauf einstellen, dass die Tage wieder länger werden und die Temperaturen steigen. Unsere innere Uhr ist ja noch auf Winter programmiert."

Die kalte, dunkle Jahreszeit verbrachte der Körper in einem "Spar- und Ruhemodus", der für unsere Vorfahren noch überlebenswichtig war - schließlich gab es für sie anders als für uns heute im Winter monatelang äußerst wenig Essen, Licht oder Wärme. Wenn dann der Frühling anbricht, wolle man den Körper innerhalb kurzer Zeit von null auf hundert bringen, erläutert Kunz: "Aktiv werden, sich bewegen, sich selbst und die Umgebung fein herausputzen, Kinder kriegen... Der Mensch will im Frühling seit jeher viel mehr als er (schon) kann - er hinkt seinen Wünschen hinterher. Die Frühjahrsmüdigkeit ist deshalb eigentlich eine Art Mini-Jetlag."

Launisches Aprilwetter verstärkt diesen Jetlag noch, denn es belastet den Kreislauf: Steigen die Temperaturen, weiten sich die Blutgefäße und der Blutdruck sinkt. Sinken sie, verengen sich auch die Gefäße wieder - für den Körper harte Arbeit. Zwar entzieht sich das Wetter dem menschlichen Zugriff, aber selbst bei "schlechtem Wetter" hilft ein Gang nach draußen dem Körper gerade im Frühjahr auf die Beine. Das Schlüsselwort heiße Licht, betont Kunz: "Wer viel ans Licht geht, signalisiert seinem Körper deutlich: Wach" auf." Dazu braucht es nicht einmal einen sonnigen Bilderbuchtag. Selbst ein grauer, wolkenverhangener Himmel enthalte viel mehr Lichtteilchen als jedes normale Lampenlicht - "man muss allerdings auch mal nach oben blicken und nicht nur auf den Fußweg".

Licht aktiviert im Körper unter anderem die Produktion des Hormons Serotonin, das für gute Stimmung und Wohlgefühl sorgt. Je mehr und je länger unser Körper natürlichem Licht ausgesetzt ist, desto mehr Serotonin kann er herstellen. Zugleich wird das Dunkelhormon Melatonin verkürzt ausgeschieden. Die Bildung dieses Hormons im Körper wird vor allem über die Lichtmenge und -dauer geregelt: An kurzen Wintertagen heißt die Botschaft an den Körper eher "Winterschlaf", an länger und heller werdenden Frühlingstagen lautet sie "Aufwachen".

Neben möglichst ausgiebigen "Lichtbädern" kurbeln auch Bewegung an frischer Luft und Wechselduschen Kreislauf und Hormonhaushalt an. Kunz rät: "Lassen Sie Ihrem Körper die Zeit, die er braucht, aber in Bezug auf Licht: Je mehr desto besser."

Schließlich ist auch eine ausgewogene Ernährung ein wichtiger Muntermacher, weiß Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn: "Reichlich Vollkornprodukte, Gemüse und Obst - am besten fünf Portionen am Tag - macht Frühjahrsmüde munter." Spargel, Kohlrabi, Radieschen, Spinat und knackige Salate sind bald wieder frisch zu haben. Auch beim Obst locken demnächst Erdbeeren und Kirschen, Pfirsiche und die ersten heimischen Beeren.

dapd