Essen..
Möglichst fünfmal am Tag eine Portion Obst und Gemüse, viele Ballaststoffe, wenig Fett – so soll gesunde Ernährung aussehen. Uwe Knop, Ernährungswissenschaftler aus Frankfurt, hält das für einen Irrtum.
Wer sich regelmäßig zur gesunden Ernährung informiert, ist schnell im Ratgeber-Dschungel verloren. Mal werden Fette als Dickmacher verteufelt, mal sind Kohlenhydrate die Buhmänner, die zu Speckringen um den Bauch führen. Schokolade ist gesund für Herz und Kreislauf, und selbst Alkohol in Form von Rotwein ist in Maßen mittlerweile auch gesundheitsfördernd.
„Genau diese ständig widersprüchlichen Aussagen haben mich stutzig gemacht“, sagt der Ernährungswissenschaftler und Autor Uwe Knop. Daraufhin untersucht er mehr als 200 Ernährungsstudien. Seine Schlussfolgerung: Die Einteilung von gesundem und ungesundem Essen macht keinen Sinn. Deshalb fordert Knop in seinem Buch „Die kulinarische Körperintelligenz“ jetzt: Ernährungsratgeber in den Müll wandern zu lassen und endlich auf das Bauchgefühl zu hören.
Keine gültigen Studien
Gesunde Ernährung macht auch gesund. „Was durchaus auf den ersten Blick logisch klingt, ist jedoch nicht bewiesen“, sagt Knop. „Ernährungswissenschaftliche Studien zeigen keine echten, sondern nur statistische Zusammenhänge.“ Als Beweis, dass gesunde Ernährung auch gesund macht, können sie jedenfalls nicht dienen. Blindstudien, die beispielsweise bei Medikamententests Standard sind, sind für Ernährungsexperimente schier unmöglich. Denn während eine Tablette mit Wirkstoff leicht gegen eine Tablette ohne Wirkstoff ausgetauscht werden kann, würde der Proband den Unterschied zwischen dem vitaminreichen Apfel und einem Schokoriegel sofort merken. Außerdem macht die Ernährung nur einen Bruchteil des Lebensstils aus. „Ob beispielsweise die Tüte Chips vor dem Fernseher wirklich am Herzinfarkt in dreißig Jahren Schuld ist, würde ich stark bezweifeln“, so Knop.
Und es gibt auch Nutznießer der verschiedenen Studien. Denn wenn es heißt, Kaffee, Wein oder Nüsse seien gesund, unterstützt das Beispielsweise Kaffee-, Nuss-, oder Weinverbände. „Oftmals werden Studien gerade von ihnen durchgeführt“, kritisiert Knop.
Unser Bauch ist schlau
Eine Vermutung, die sich bei der Ernährungsthese fast schon aufdrängt, ist: Wer essen darf, was er will, wird sich wochenlang von Pizza und Co. ernähren. Auf Dauer führt das zu Übergewicht und infolgedessen auch zu Krankheiten. „Kein gesunder Mensch, der auf seine Körpergefühle Hunger und Lust vertrauen kann, wird sich über einen langen Zeitraum durchgehend einseitig ernähren“, so Knop. „Denn keiner hat wochenlang Lust auf Pizza.“ Der Körper braucht Vielfalt zum Beispiel zwischen fettreichen und fettarmen, vitaminreichen und –armen Nahrungsmitteln mal mehr, mal weniger Eiweiß oder Kohlenhydrate. Genauso wie dem Hunger auf einen Apfel oder Salat, könne jeder ohne Bedenken auch dem Hunger auf Pizza nachgeben.
Die Theorie des Ernährungswissenschaftlers: Unser Bauch „weiß“ förmlich was er braucht. Der körpereigene Indikator dafür ist die Lust aufs essen – wenn man echten Hunger hat. Dieser echte, also der körperliche biologische Hunger entspricht sozusagen auch einem „Zeitmesser“: Er sagt uns ganz genau, wann die Energiereserven aufgebraucht sind – sprich wann wir wieder essen müssen. „Ein gesunder Mensch mit gesundem Körpergefühl braucht daher auch keine Ernährungsratschläge“, so Knop.
Kritik an der Theorie ist groß
Dass ein gesunder Mensch ab und zu auch Pizza und Schokolade essen kann, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen, das geben die meisten Ernährungsexperten zu. Kritisiert wird an der Theorie eher, dass die Deutschen kein echtes Hungergefühl sondern Appetit und Gelüste hätten. So sieht es auch der Medizinjournalist und Diätexperte Sven-David Müller. Der Autor von Ratgebern wie „Die effektivsten Fatburner“ und „Die 50 besten Fettkiller“ bezeichnet die Theorie der kulinarischen Körperintelligenz als „völligen Humbug“.
Dass Menschen, die auf ihr Bauchgefühl hören eher krank als gesund sind, beweisen Müller zufolge viele ernährungsbedingte Erkrankungen wie Diabetes-Typ-2 und Herzinfarkt. „In unserer Industrienation haben wir keinen Hunger“, sagt Müller. „Alle Lebensmittel sind ständig verfügbar, das fördert den Appetit.“ Anstatt auf das Bauchgefühl, sollten wir daher eher auf die Vernunft hören. „Ein gesundes Essverhalten ist, darüber nachzudenken, was man isst.“ Wer mit gesunden frischen Lebensmitteln kocht, der tut seiner Gesundheit Gutes. Wer dagegen nur Pizza, Pommes und Burger isst wird krank.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) will sich dagegen nicht zu Knops Theorie äußern. Aus dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit der DGE heißt es „kein Kommentar“. Dabei gab die Pressesprecherin der DGE Antje Gahl dem Reutlinger Generalanzeiger gegenüber zu: „Ganz grundsätzlich und für gesunde Menschen stimmt seine These vermutlich.“ Der DGE-Geschäftsführer Dr. Helmut Oberritter zog diesen Kommentar jetzt jedoch zurück – Gründe gab er dazu nicht an.