Washington. .
Es gibt HIV-Infizierten, die obwohl sie keine Medikamente einnehmen, nicht an Aids erkranken. Jahrzehntelang forschten Wissenschaftler nach der Ursache. Jetzt fanden sie die Erbanlagen, die dafür verantwortlich sind.
Sie brauchen keine Medikamente und erkranken trotzdem nicht an Aids: Bei etwa einem von 300 HIV-Infizierten bekommt die Körperabwehr das Immunschwäche-Virus in den Griff. Erstmals hat nun ein internationales Forscherteam jene Erbanlagen identifiziert, mit denen das Immunsystem den gefährlichen Erreger in Schach hält. Die im Magazin „Science“ veröffentlichte Entdeckung könnte den lange ersehnten Durchbruch bei der Suche nach einem HIV-Impfstoff oder aber neuen Therapien bedeuten.
Gene helfen dem Immunsystem
Vor rund zwei Jahrzehnten bemerkten Mediziner, dass ein winziger Prozentsatz der HIV-Infizierten nicht an Aids erkrankt. Wie diese sogenannten Controller den Erreger ausschalten, zählte bislang zu den größten Rätseln der HIV-Forschung. Nun analysierten die Wissenschaftler um Florencia Pereyra von der Universität Harvard das Erbgut von fast 1.000 Controllern sowie von 2.600 anderen HIV-Patienten. Bei der Analyse des Erbguts stießen die Forscher auf gut 300 Genvarianten, die es dem Immunsystem offenbar ermöglichen, jene Zellen zu erkennen, die von dem äußerst wandlungsfähigen Erreger befallen sind.
Sämtliche Erbanlagen liegen auf jenem Areal des Chromosoms 6, das die sogenannte HLA-Gene (Human Leukocyte Antigen) beherbergt. Die HLA-Proteine sorgen dafür, dass die Körperabwehr Eindringlinge erkennt. Für die Kontrolle des HI-Virus besonders wichtig sind die Areale für sechs Aminosäuren, die am Protein HLA-B beteiligt sind. Mit Hilfe von diesem Eiweiß erkennt und zerstört das Immunsystem jene Zellen, die von Viren befallen sind. Dazu bringt HLA-B Bestandteile des Erregers auf die Zelloberfläche, wo sie der Körperabwehr präsentiert werden. Fünf der sechs Aminosäuren liegen genau an jenen Stellen des Proteins, die an diese sogenannten Viruspeptide binden.
Hochgestecktes Ziel: Therapie für Patienten
„Die Aminosäure an der Bindestelle von HLA-B beeinflusst seine Form und Struktur und sorgt wahrscheinlich dafür, dass manche Peptide wirksam präsentiert werden und andere nicht“, erläutert Paul de Bakker. Und sein Kollege Bruce Walker ergänzt: „Von den drei Milliarden Bausteinen im menschlichen Genom sorgen nur eine Handvoll für den Unterschied zwischen jenen, die trotz einer HIV-Infektion gesund bleiben, und jenen, die ohne Therapie an Aids erkranken. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, daraus eine Therapie für Patienten und eine Schutzimpfung zu entwickeln“, sagt der Forscher. „Aber wir sind jetzt einen bedeutenden Schritt weiter.“ (dapd)