London. .

Bislang schwören Sportler auf spezielle Fitness-Getränke zum Muskelaufbau. Jedoch liefert auch Milch wichtige Bausteine, die Muskeln wachsen lassen. Außerdem ersetzt Milch die verlorene Flüssigkeit besonders gut.

Nach fast jedem Training schüttet Matt Whitmore sich einen halben Liter Milch in den Rachen. „Das hat für mich einen fast schon religiösen Charakter“, sagt der 25 Jahre alte Fitnesstrainer aus London. Mit dem exzessiven Milchritual begann er vor etwa zehn Jahren, als ihm das Geld für die teuren Proteinpräparate fehlte. „Mit Milch erhole ich mich schneller, und ich fühle mich einfach großartig“, sagt Whitmore. „Inzwischen hasse ich es, darauf zu verzichten.“

Milch ist gesund

Milch liefert Kasein und Molke, die zur Regeneration von Muskeln wichtig sind. (Bild: Imago)
Milch liefert Kasein und Molke, die zur Regeneration von Muskeln wichtig sind. (Bild: Imago) © imago stock&people

Nun bestätigen manche Wissenschaftler, wofür Whitmore aus Erfahrung plädiert: Milch ist ebenso gut oder vielleicht sogar noch besser als die Sportgetränke, die sich Leistungssportler nach dem Training einflößen. Zwar ist der gesundheitliche Nutzen von Milch - mit Kohlenhydraten, Elektrolyten oder Kalzium - schon lange unstrittig. Aber Sportler interessieren sich vor allem für jene beiden Proteine, die den Wiederaufbau von Muskeln stimulieren: Kasein und Molke.

Denn egal ob beim Laufen, Radfahren oder Fußball: Bei intensivem Sport nehmen die Muskeln Schaden. Um sie schnell wieder zu regenerieren, braucht der Körper Kasein und Molke. Dies mache Milch zum idealen Sportgetränk, betont die Ernährungsforscherin Glenys Jones: „Milch liefert die Bausteine zum Aufbau neuer Muskeln.“ Demnach ersetzen Sportgetränke zwar die verbrauchten Kohlenhydrate und Elektrolyte, aber sie bieten den Muskeln nicht die zur Erholung erforderlichen Nährstoffe.

Milch direkt nach dem Sport

Ob Milch aber tatsächlich Sportgetränke übertrifft, ist umstritten. Die Milchwirtschaft möchte auf den milliardenschweren Fitnessmarkt vordringen und bezahlt Dutzende Studien, die den Vorteil ihres Produkts belegen sollen. Erst kürzlich zeigte eine von der Industrie gesponserte Studie, dass Milch, sofort nach dem Sport getrunken, die Athleten beim nächsten Training länger durchhalten lässt als der Konsum von Sportgetränken. „Die Art der Kohlenhydrate und die Nährstoffe sind am wichtigsten“, sagt Studienleiterin Emma Cockburn von der englischen Northumbria Universität.

Cockburn rät Sportlern, Milch unmittelbar nach der Belastung zu trinken. „Das Training zerstört die Eiweißstrukturen in den Muskeln, aber erst nach 24 bis 48 Stunden“, sagt sie. Bei direktem Konsum nach einer Übung könnten die Muskeln die Milch zeitig absorbieren und diese Schäden abwenden.Auch wenn Athleten mehrmals täglich Höchstleistungen liefern müssen, fördert Milch die Regeneration. Bei den Olympischen Spielen in Peking schlürfte Michael Phelps das Getränk regelmäßig zwischen den Schwimmwettbewerben - und holte sechs Mal Gold.

Milch enthält viele Elektrolyte

Forscher der Universität Loughborough glauben, dass fettarme Milch den Sportgetränken auch darin überlegen ist, verlorene Flüssigkeit zu ersetzen. Zum einen enthalte das Getränk viele Elektrolyte. Zudem aber entleere der Magen Milch im Vergleich zu Sportgetränken langsamer, so dass der Körper länger hydriert sei.

Weiterer Vorteil: Das Verhältnis der einzelnen Nährstoffe ist angeblich besser als in Ergänzungspräparaten oder Sojamilch. Dies helfe dabei, Fett ab- und Muskelmasse aufzubauen, so eine kleine Studie. Darin nahmen Gewichtheberinnen, die Milch tranken, zwei Kilo Muskeln zu und verloren ähnlich viel Fett. Mit Sportgetränken legten die Frauen nur 1,5 Kilo Muskeln zu und verloren überdies kein Fett. „Möglicherweise wirken manche Bestandteile - Proteine, Vitamin D und Kalzium - so zusammen, dass Fett abgebaut wird“, sagt Studienleiter Stuart Phillips von der McMaster Universität. Seine Untersuchung wurde allerdings ebenfalls von der Milchindustrie gefördert.

Milch besser für Leistungssportler geeignet

Aber es gibt auch warnende Stimmen. Catherine Collins, die Sprecherin der Britischen Dietetic Association, räumt zwar ein, dass Milch jenen Athleten Vorteile bieten könne, die täglich Tausende Kalorien verbrennen. Aber normale Besucher von Fitness-Studios sollten sich lieber an Sportgetränke oder Wasser halten. „Wenn man abnehmen möchte, reicht Wasser nach dem Training wohl aus“, sagt sie.

Und selbst die größten Milchverfechter geben zu, dass der Kuhsaft Sportgetränke nicht ganz ersetzen kann. Denn gerade weil Milch schwer verdaulich ist, sollte sie nicht während des Trainings genommen werden. Bei den Olympischen Winterspielen von Vancouver karrten die Milchbauern 80.000 Liter Kakao herbei. Die kanadischen Sportler gewannen überraschend 14 Goldmedaillen - mehr als je zuvor. „Ich weiß nicht, ob die Milch dazu beitrug“, sagt Phillips. „Geschadet hat sie jedenfalls nicht.“ (dapd)