Essen.

Schielen ist nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern eine schwere Sehbehinderung. Leiden Babys oder Kinder daran, ist schnelles Handeln wichtig. Denn sonst besteht ein hohes Risiko, dass das Kind nie mit beiden Augen richtig sehen wird.

Dem Berufsverband der Augenärzte zufolge schielen etwa zwei Millionen Deutsche. Im Kindesalter werde die Fehlstellung oft verniedlicht, als Silberblick und kleinen Makel abgetan. Dabei ist sie nicht ungefährlich: Kommt die Therapie zu spät, wird das Kind nie mit beiden Augen sehen können.

Wie Babys sehen lernen

Babys können schon kurz nach der Geburt mit ihren Augen ihre Umwelt wahrnehmen - allerdings nur undeutlich. „Die Sehschärfe muss sich erst durch ständiges Üben entwickeln“, sagt Prof. Burkhard Dick, Direktor der Universitäts-Augenklinik am Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer. „Flüchtige Fehlstellungen sind in dieser Zeit kein Grund zur Beunruhigung.“ Wenn jedoch ein Auge ständig von der Richtung des anderen abweicht, ist keine Zeit zu verlieren.

Im Alter von sechs bis acht Jahren sei das „Lernprogramm“ der Augen abgeschlossen. „Wurde eine Fehlstellung der Augen bis dahin nicht behandelt, ist das Schielen oftmals nur aus kosmetischen Gründen zu korrigieren“, so der Augenarzt. „Eine Behandlung kann das so gut wie immer verhindern. Die Therapie ist besonders wirksam vom dritten bis zum sechsten Lebensjahr“, sagt Dick. „Mit der Therapie kann auch oft ein gutes räumliches Sehen hergestellt werden.“

Das gesunde Auge wird nicht genutzt

Beim Sehen entsteht in jedem Auge jeweils ein Bild, das sich nur wenig von dem Bild des anderen unterscheidet. Beide Bilder werden im Gehirn zu einem einzigen zusammengesetzt. Schielt ein Auge, wird der Unterschied zwischen den beiden Bildern zu groß - es entstehen Doppelbilder. Um das zu vermeiden, unterdrückt das Gehirn das übermittelte Bild vom fehl gestellten Auge. „Und das ist problematisch, denn durch die Nichtnutzung kann das sonst gesunde Auge nicht mehr sehen“, sagt Dick. „Fast 90 Prozent der Schielenden leiden unter dieser sogenannten Schielschwachsichtigkeit.“

Schielen ist nicht gleich Schielen

„Die Fehlstellung kann dauerhaft oder nur in bestimmten Situationen auftreten beispielsweise bei Stress“, sagt Dick. Das Auge kann dabei in alle Richtungen abweichen oder nur in eine. Oft sei die Sehbehinderung auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Welche Ursachen das Schielen hat, ist nicht vollkommen erforscht. Risikofaktoren können sein:

• nicht oder nur ungenügend korrigierte Fehlsichtigkeit der Augen

• unterschiedliche Brechkraft zwischen linkem und rechtem Auge

• wenn Eltern oder Geschwister schielen

• Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt

• Erkrankungen der Augen wie Linsentrübungen

• schwere Kinderkrankheiten

• Entwicklungsstörungen des Kindes

Voruntersuchungen sind wichtig

„Selbst wenn das Schielen fast unsichtbar ist, führt es bei Nichtbehandlung zu einer schweren Sehschwäche“, sagt Dick. „Regelmäßige Untersuchungen auch bei Kindern, bei denen kein Verdacht besteht, sind daher wichtig.“

Eindeutige Merkmale, die auf ein Schielen hinweisen gibt es in vielen Fällen nicht. Warnhinweise können aber sein:

• Augenzittern

• Zusammenkneifen der Augen

• chronische Lidrand-Entzündung

• Hornhaut-Trübungen

• Kopfschmerzen

• Verschwommenes Sehen

• häufiges Augentränen

• schiefe Kopfhaltung

• schlechtes gezieltes Zugreifen

Die Eltern müssen mitmachen

Auch interessant

Von DerWesten

„Ist das Schielen erkannt, ermittelt der Augenarzt die Ursache und stimmt darauf die Therapie ab“, sagt der Augenexperte. „Eine Fehlsichtigkeit ist oft Auslöser und kann mit einer Brille behoben werden.“

Leidet ein Kind an der Schielschwachsichtigkeit, wird die Abdecktherapie genutzt. „Dabei klebt man das gesunde Auge mit einem Pflaster ab, was das schielende Auge trainiert“, sagt Dick. Mit dieser Therapie könne dem Experten zufolge die Sehkraft des schielenden Auges verbessert werden. „Wichtig ist aber, dass Eltern sehr aktiv mitmachen“, so Dick. Denn besonders die Abdecktherapie erfordert eine strikte Einhaltung der Trainingsphasen. Auch für kurze Zeit dürfe das Pflaster nicht abgenommen werden. „Eltern müssen sehr willensstark sein und ein gutes Durchhaltevermögen haben“, sagt Dick. „Denn das Tragen des Pflasters ist für viele Kinder anstrengend.“ Hilfe kann neben dem Arzt auch ein Psychologe bieten.

„Und auch operative Möglichkeiten der Therapie gibt es“, sagt Dick. „Die OP eignet sich natürlich nicht für jedes Kind, aber die Erfolgsquote ist mit 80 Prozent sehr gut.“