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Laute Geräusche stören die meisten Menschen. Was aber, wenn selbst leise Töne die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen und sogar Schmerzen verursachen? Für viele Betroffene ist die absolute Stille der letzte Ausweg. Fatal, denn das kann zu Isolation und psychischen Krankheiten führen.

Klapperndes Geschirr, ein Gespräch des Sitznachbarn in der Bahn oder das Rauschen des Computerlüfters. Wer diese Geräusche als unangenehm oder schmerzhaft empfindet, kann an einer Geräuschüberempfindlichkeit, der so genannten Hyperakusis, leiden.

Fast jeder fühlt sich ab und zu von Geräuschen gestört, deshalb scheint die Erkrankung wenig dramatisch. Ein Irrtum: Denn „im Gegensatz zu gesunden Menschen leidet ein Mensch mit Hyperakusis schon unter einem normalen Geräuschpegel“, sagt Sybille Heil von der Deutschen Tinnitus-Liga in Wuppertal.

Verschiedene Ursachen

„Die Ursachen der Hyperakusis sind noch nicht vollständig geklärt“, sagt Heil. Wahrscheinlich sei jedoch, dass die Verarbeitung der Hörsignale im Gehirn gestört ist. Das heißt, das Ausblenden von unwichtigen Geräuschen funktioniert nicht mehr richtig. „Wenn das Tastaturgeklimper des Tischnachbarn plötzlich genauso laut erscheint wie das gerade geführte Telefonat, führt das zu großem Stress“, sagt Heil. „Schmerzen oder starke Gereiztheit können die Folge sein.“

Zur Geräuschüberempfindlichkeit können Krankheiten führen wie Epilepsie oder Multiple Sklerose sowie Migräne. Aber viele Wissenschaftler sehen als Ursache auch moderne Lebensumstände sowie eine hohe durchgängig Lärmbelastung oder Stress.

Stille verschlimmert die Beschwerden

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Ein typisches Verhalten von Betroffenen ist, unangenehme, manchmal sogar schmerzende Geräusche zu meiden. „Das kann auch so weit führen, dass sie das Haus nicht mehr verlassen“, sagt Heil. „Dabei ist die Suche nach der absoluten Stille der falsche Weg.“ Wie jedes andere Organsystem, will auch der Hörtrakt genutzt werden. Deshalb wird ein ungenutztes Gehör noch geräuschempfindlicher. Folge: Die Beschwerden verschlimmern sich.

„Wer vermutet, unter Hyperakusis zu leiden, sollte zuerst zum HNO-Arzt gehen“, sagt Heil. „Denn eine Empfindlichkeit kann auch auf eine andere Erkrankung oder einen Hörverlust hinweisen.“ Ist das nicht der Fall, wird die Hyperakusis durch Aufmerksamkeitsumlenkung und einen gezielten Einsatz von Geräuschen behandelt. „Die Mitarbeit des Betroffenen ist besonders wichtig“, sagt Heil.

Helfen kann:

• sich bewusst immer mehr Geräuschen auszusetzen (Vorsicht: keinen Lärm)

• das Erlernen von Entspannungstechniken wie autogenes Training und progressive Muskelentspannung

• das Hören von klassischer Musik

Nicht jede Reaktion auf ein Geräusch ist Hyperakusis

Quietscht die Kreide auf der Tafel, sorgt das bei vielen Menschen für Gänsehaut. „Diese Reaktion bezeichnet man als Phonophobie. Im Gegensatz zur Geräuschempfindlichkeit ist sie durch persönliche Erlebnisse geprägt“, sagt Heil. Die Bedrohlichkeit der Geräusche entstehe oft durch Erlebnisse, bei denen sich der Betroffene hilflos gefühlt hat. „Bekanntes Beispiel ist der Zahnarztbesuch: Wer keine negativen Erlebnisse mit dem Bohrer hat, den stört sein Summen meist nicht.“