Münster. .
In Deutschland sind erstmals Erreger der Schweinegrippe aufgetreten, die gegen das Medikament Tamiflu resistent sind. Experten zufolge zeigt dies, wie schnell sich das Virus verändere. Jetzt wird nach einem neuen Mittel geforscht.
Wie das Universitätsklinikum Münster berichtet, hat bei zwei Patienten das bisher gegen die Viruserkrankung eingesetzte Medikament Tamiflu nicht wie gewohnt gewirkt. Als Ursache wird eine Resistenz gegen das Medikament vermutet.
Wie Tamiflu wirkt
Wie alle Viren hat das Influenza A H1N1v-Virus, der Erreger der Schweinegrippe, keinen eigenen Stoffwechsel. Deshalb ist es zur Fortpflanzung auf Wirte, wie menschliche Zellen, angewiesen. Dazu injiziert das Virus sein Erbmaterial in die Wirtszelle, in der dann die Nachkommen gebildet werden. Damit diese aus der Zelle freigesetzt werden können, benötigen sie das Enzym Neuraminidase. „Bei dem biochemischen Prozess der Freisetzung setzt Tamiflu an“, sagt Prof. Dr. Joachim Kühn vom Institut für medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Münster. „Es hemmt das Enzym, sodass die neuen Erreger nicht austreten können. So werden keine weiteren Zellen befallen.“
Resistenzen entstehen durch zufällige Mutationen
Aufgrund ihres einfachen Baus und der besonderen Vermehrungsweise mutieren Viren häufig. „Hierbei ändert sich das Erbgut eines Virus zunächst zufällig“, sagt Kühn. „Wird dann ein antivirales Medikament wie Tamiflu genutzt, findet eine Selektion statt. Das heißt, die mutierten Viren überleben im Gegensatz zu den nicht mutierten Viren die Therapie.“ Diese Reaktion trete besonders häufig bei abwehrgeschwächten Patienten sowie während vielen oder lang anhaltenden Behandlungen auf.
Zu einer solchen Resistenz kam es mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den beiden Patienten aus Münster. Nach Angaben des Universitätsklinikums Münster wurden sie wie gewohnt behandelt, jedoch besserten sich die Krankheitssymptome nicht. „Bisher waren Betroffene nach etwa einer Woche virenfrei“, sagt Kühn. „Bei unseren beiden Patienten dauern die Beschwerden schon drei Wochen an und es lassen sich immer noch Viren nachweisen.“
Es gibt ein weiteres Medikament gegen die Schweinegrippe
„Neben Tamiflu gibt es ein weiteres Mittel, das gegen die Schweinegrippe wirkt“, so der Experte. „Das Medikament Relenza hat einen ähnlichen Wirkungsmechanismus, besitzt aber eine andere chemische Struktur.“ Die bisherige Erfahrung zeige, dass Relenza bei tamifluresistenten Viren noch wirksam sei.
Aber auch gegen dieses Medikament können Viren in Zukunft Resistenzen bilden. „Deshalb gibt es momentan viele Bemühungen neue Wirkstoffe zu finden. Bei einigen Mitteln laufen bereits vielversprechende klinische Tests“, sagt Kühn.
Tamiflu nur gegen Schweinegrippeerkrankung einsetzen
Viele Experten warnen vor einem vorbeugenden Einsatz des Medikaments, da dies die Bildung von Resistenzen fördern kann. Dem stimmt auch Virologe Kühn zu: „Wer Tamiflu nimmt, ohne an dem H1N1-Virus erkrankt zu sein, riskiert unnötige Nebenwirkungen und begünstigt die Entwicklung einer Resistenz des Erregers.“ Außerdem sei auch die zu späte Einnahme des Medikaments nicht zu empfehlen. Generell gilt: Je öfter ein Medikament gegen einen Virus eingesetzt wird, desto höher ist das Risiko, dass Mutationen – und damit auch Resistenzen entstehen. Deshalb solle die Einnahme nur in nachgewiesenen Fällen der Krankheit erfolgen.