Essen. Harald zur Hausen hat den Medizin-Nobelpreis 2008 erhalten. Der Essener Gynäkologe Wehling ist Experte für das Thema Gebärmutterhalskrebs. Er nennt zur Hausens Forschung einen Meilenstein für die Frauenheilkunde. Und erklärt, warum die Impfung gegen Papillomaviren auch Männer angeht.

Heute nimmt Harald zur Hausen in Stockholm den Medizin-Nobelpreis entgegen. Er hat mit seiner Forschungsarbeit über die Humanen Papilloma Viren (HPV) die Impfung gegen Erreger des Gebärmutterhalskrebses ermöglicht. Ein Meilenstein für die Gynäkologie?

Dr. Michael Wehling: Das auf jeden Fall. Durch seine Forschung hat man erstmal gesehen, was dieser Virus überhaupt alles bewirken kann: die durch den HP-Virus entstehenden Präcancerosen, also Krebs-Vorstufen, vor allem beim Gebärmutterhalskrebs, aber auch bei Veränderungen an der Vulva, sprich: dem äußeren Genital. Mittlerweile hat man ja rund 100 Virustypen identifiziert. Die teilt man grob in die Hoch-Risiko- und die Niedrig-Risikogruppe ein. Wobei diese Niedrig-Gruppe Genitalwarzen verursacht, die für sich genommen eigentlich nicht schlimm sind, aber weiter wachsen, infektiös sein und kosmetisch nicht angenehm für die Patientin sein können. Viel interessanter sind aber eigentlich die Subtypen 16 oder 18, die man gerade beim Zervixkarzinom, also beim Gebärmutterhalskrebs, immer wieder findet. Mittlerweile sagt man, dass der Gebärmutterhalskrebs ohne diesen Virus kaum noch entsteht. Insofern ist die Entdeckung und mittlerweile die Entwicklung der Prävention schon ein Meilenstein in der Geschichte, weil man jetzt eine gute Handhabe hat, dem Krebs rechtzeitig entgegen zu wirken.

Was sagen denn die Statistiken: Wie viele Frauen erkranken an Gebärmutterhalskrebs?

Wehling: Bei uns in Deutschland sind es gut sechseinhalb Tausend Frauen pro Jahr, die neu an einem Zervixkarzinom erkranken. Gleichzeitig sind es etwa eineinhalb Tausend Frauen, die im Jahr daran versterben. Präcancerosen haben Frauen zwischen 20 und 30 Jahren. An Gebärmutterhalskrebs erkranken Frauen um die 40 oder dann wieder jenseits der 65. Wobei bei diesen Frauen häufig in der Vorgeschichte eine lückenhafte oder überhaupt keine Vorsorge stattgefunden hat. Die Ausnahme bestätigt natürlich immer wieder die Regel – aber durch eine gute Vorsorge dürfte es eigentlich nicht mehr so weit kommen. Die Patientinnen, die einen fortgeschrittenen Gebärmutterhalskrebs haben, haben meistens eine mangelnde Vorsorge.

Wie viele Mädchen lassen sich bereits impfen?

Wehling: Die Zahlen sind im Moment noch schwer zu überschauen, die Quote liegt im Moment so bei 25 Prozent liegt.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Impfung?

Wehling: Wenn eine Impfung zugelassen wird, dann setzt sich die StIKo zusammen, die Ständige Impfkommission. Die erstellt dann anhand der Daten, die man gesammelt hat, eine Impfempfehlung aus. Die StIKo schreibt im Moment, dass die Zulassung für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren gilt. Und in diesem Zeitraum wird die Impfung auch von der Krankenkasse übernommen. Einige Krankenkassen gehen auch weiter, also bis 18 oder bis 21 Jahre. Wobei die Empfehlung bald auch noch weitergehen wird, dass Mädchen bereits ab dem neunten Lebensjahr geimpft werden. Sinn und Zweck der Sache ist ja gerade, die jüngeren Leute zu impfen, denn HPV wird ja durch Sexualkontakte übertragen.

Welche Möglichkeiten haben Frauen, die älter sind als 17?

Wehling: Die haben natürlich genauso die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Sie müssen halt nur die Kosten selber tragen und darüber aufgeklärt werden, dass das Medikament außerhalb der Zulassung verabreicht wird.

Wenn bei einer Frau bereits ein HP-Virus nachgewiesen wurde, dann kann sie sich nicht mehr impfen lassen.

Wehling: Nein, die Impfung ist eigentlich für die HPV-negative Frau. Die bisherigen Subgruppenanalysen haben noch keine therapeutischen Nutzen oder Kreuzimmunitäten gezeigt.

Und muss sich diese Frau dann Sorgen machen?

Wehling: Jein. Es ist eine schwierige Situation. Ganz viele Frauen fühlen sich belastet, wenn sie den HP-Virus haben. Das hängt aber ganz deutlich mit der Aufklärung zusammen. 70 bis 80 Prozent der Frauen haben in ihrem Leben Kontakt mit diesem HP-Virus. Das steht der Anzahl der Neuerkrankungen von einem Prozent gegenüber, bei der die Frauen überhaupt eine Vorstufe von Krebs haben. Da sieht man, bei wie vielen Frauen der Virus Wirkung zeigt und bei wie vielen nicht. Es kommen natürlich Risiko-Faktoren hinzu, wie Rauchen, häufig wechselnde Geschlechtspartner oder ob man eine Immunschwäche hat. Bei einem ganzen Teil der Frauen macht der Virus aber nichts. Gerade bei jüngeren Patientinnen unter 35 erledigen sich auffällige Abstriche von alleine. Man muss also keine Angst haben, wenn man diesen Virus hat. Die ganz normale Vorsorge reicht.

Nach dem plötzlichen Tod zweier junger Frauen in Deutschland und Österreich ist die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs verstärkt in die Kritik geraten. Berechtigt?

Wehling: Nein. Wenn ein Medikament die Zulassungsphase gerade durchschritten hat, und solche Fälle auftreten, werden die natürlich extrem untersucht. Bei den zwei Fällen konnte kein Zusammenhang mit der Impfung hergestellt werden. Ganz im Gegenteil: Es wurden ja mittlerweile schon viele Zehntausende Frauen weltweit sowohl unter Studienbedingungen geimpft, als auch jetzt nach der Zulassung. Das ist ein extrem gut verträgliches Medikament, was gespritzt wird. Die Nebenwirkungen, die beobachtet wurden, sind fast typische Impf-Reaktionen: kleine Rötung oder einen kleinen Druckschmerz an der Injektionsstelle. Das habe ich aber auch nach einer Tetanus- oder Hepatitis-Impfung.

Zur Person

Dr. Michael Wehling ist Experte für das Thema Gebärmutterhalskrebs und Facharzt in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Uniklinikum Essen.

Die Essener Klinik ist eine der ersten zehn zertifizierten Genitalkrebszentren in Deutschland. Wehling beschäftigt sich bereits seit fünfeinhalb Jahren eingehend mit dem Thema Gebärmutterhalskrebs. Er ist der Experte, wenn Frauenärzte sich unsicher sind. Bei auffälligen Abstrichen kann er Gewebeproben entnehmen und ein individuelles Risikoprofil erstellen.

Dafür bietet die Klinik für Frauenheilkunde eine Dysplasie-Sprechstunde an, dienstags von 13.30 bis 16 Uhr. Weitere Infos gibt's unter: 0201/ 723-3570.

Außerdem sagen Kritiker, die Impfung sei unkontrolliert eingeführt worden, und die Langzeitwirkung sei noch nicht ausreichend erforscht.

Wehling: Man hat jetzt mittlerweile Langzeit-Beobachtungen über sechseinhalb Jahre. Wir prüfen gerade, wie lange die Impfung wirkt. Man muss natürlich jetzt in der Nachbeobachtungsphase sehen, wann der Punkt kommt, an dem man noch mal impfen müsste. Insgesamt ist die Nachbeobachtungszeit aber schon recht gut. Ich weiß, dass die Kritik durch viele Medien gegangen ist. Aber durch sorgfältige Untersuchungen, besteht kein Grund zur Sorge.

Das Thema HPV-Impfung und Gebärmutterhalskrebs ist mit der Vergabe des Nobelpreises in der Diskussion. Warum wissen dennoch so wenig Frauen über das Thema Bescheid?

Wehling: Der HP-Virus ist kein Bestandteil der regulären Vorsorge. Man untersucht auf den HP-Virus, wenn ein Abstrich auffällig war. Dann kommt es auf die Aufklärung an. Zur mir kommen die Patientinnen ja erst, wenn sie schon mit ihrem Gynäkologen gesprochen haben. Das heißt, meine Patientinnen sind schon recht gut aufgeklärt. Ich glaube nicht, dass sich alle Patientinnen viel damit beschäftigen. Aber andersherum gesehen: Wer informiert sich, wenn er gesund ist, über alle gängigen Krebsarten? Man muss ja nicht generell über Krebs reden, aber darüber, dass die Möglichkeit besteht, dem vorzubeugen. Das kann man gar nicht oft genug machen.

Männer können natürlich keinen Gebärmutterhalskrebs bekommen. Dennoch: Sind die Papilloma-Viren ein reines Frauenthema?

Wehling: Nein. Irgendwie wird der Virus ja verteilt. Der Mann ist durch die unterschiedliche Anatomie zur Frau ganz oft nur der Überträger. Aber: Auch wenn das Peniskarzinom, für das der HP-Virus mit verantwortlich ist, nur eine Rarität ist: Die Möglichkeit besteht. Das geschieht jedoch sehr selten. Klar ist: Die Impfung ist eine Prophylaxe, die auch Männer machen sollten, vor allem zum Schutz der Frauen.

Einige Unterarten der HP-Viren verursachen mehr oder weniger harmlose Warzen im Genitalbereich und an der Haut. Ist das nicht auch für Männer gefährlich?

Wehling: Genitalwarzen können Männer genauso bekommen. Sie werden bei Männern auch durch genau die gleichen Virus-Typen, 6 und 11, verursacht. Die Viren machen dabei keinen Unterschied zwischen Mann und Frau.

Haben Sie sich selbst impfen lassen?

Wehling: Außerhalb der Zulassung habe ich mich nicht impfen lassen. Ich bin ja quasi doppelt kontraindiziert: Ich bin ein Mann und zu alt. Was Männer angeht, wurde das HP-Virus noch nicht so gut untersucht. Das Ergebnis warte ich erst ab. Ansonsten würde ich mich sicherlich auch impfen lassen. Die Impfungen sollen aber früher oder später auch auf Jungen ausgeweitet werden.