Frankfurt. Stammzellen sind in der medizinischen Forschung heiß begehrt. Wenn sie sich noch nicht in spezifische Gewebezellen differenziert haben, könnten mit ihnen künftig viele Krankheiten behandelt werden. Doch Stammzellen sind Mangelware. Die Hoffnung: Nabelschnurblut.

Gegen die Verwendung von embryonalen Stammzellen, die am besten geeignet wären, sprechen rechtliche und ethnische Aspekte.

Als gute Alternative dazu gelten Stammzellen aus dem Nabelschnurblut. Die Zellen werden hier nach der Geburt und Abnabelung des Kindes aus dem Restblut der Nachgeburt entnommen. Nach entsprechender Aufarbeitung im Labor können sie über Jahrzehnte aufbewahrt werden. Allerdings werden heute in deutschen Geburtskliniken noch 97 Prozent aller Nabelschnüre als Abfall weggeworfen, wie die Ärztliche Genossenschaft GenoGyn kritisiert. Dabei könne mit der kostenfreien Spende von Nabelschnurblut heute schwer kranken Menschen auf der ganzen Welt geholfen werden, sagt der Vorstand und Gründer von GenoGyn Rheinland, Jürgen Klinghammer: „Weltweit warten viele potenzielle Empfänger dringend auf Zellen mit geeignetem Gewebetyp.“

Stammzellen aus Nabelschnurblut haben nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes gegenüber Knochenmark-Stammzellen viele Vorteile. Sie seien unbelastet von Infektionen und äußerst wandlungsfähig. Sie könnten eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen Zellen und Geweben bilden - wie etwa Blutzellen, Haut- und Knorpelzellen.

Jährlich 30.000 Stammzell-Transplantationen in Europa

Die Forschung hofft, eines Tages mit Hilfe von Stammzellen Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose heilen zu können. Die Fortschritte in der Stammzell-Forschung sind rasant. Ende der 50er Jahre wurden erstmals Stammzellen auf den Menschen übertragen. Heute werden allein in Europa jährlich rund 30.000 Stammzell-Transplantationen durchgeführt. Durch ihre „Jugendlichkeit“ haben Stammzellen aus Nabelschnurblut nach Expertenangaben ein viel größeres Heilungspotenzial als vergleichsweise „alte“ Knochenmark-Stammzellen. Außerdem verursachten sie weniger Komplikationen. Sie seien einfacher zu gewinnen und stünden im Krankheitsfall innerhalb weniger Stunden zur Verfügung.

Allerdings sei die Menge des aus der Nabelschnur zu gewinnenden Blutes gering. Bei Krebs beispielsweise werden entsprechend des Körpergewichts viele Stammzellen benötigt. Die Forschung arbeitet daran, diese Stammzellen im Labor zu vermehren. Bei der regenerativen Medizin aber werden nur wenige Stammzellen benötigt. Sie werden benutzt, um den Selbstheilungsprozess im Körper anzukurbeln oder Gewebeersatz herzustellen. Zurzeit wird an mitwachsenden Herzklappen für Kinder mit angeborenem Herzfehler geforscht.

In Deutschland gibt es nach Angaben von GenoGyn derzeit drei Möglichkeiten, die wertvollen Zellen zu lagern. Sie können kostenlos als ungerichtete Fremdspende einer der sechs deutschen öffentlichen Stammzellbanken zur Verfügung gestellt werden und sind damit über ein weltweites Register allen potenziellen Empfängern zugänglich. Allein in der Universitätsklinik Düsseldorf lagern rund 11.000 Präparate, knapp 370 wurden bislang transplantiert.

Geringe Spendenbereitschaft

Die Einlage des Nabelschnurbluts für das eigene Kind oder gegebenenfalls für Familienangehörige erfolgt gegen Gebühr über private Blutbanken. Relativ neu ist die Option, das Nabelschnurblut zur Eigenvorsorge bei einem privaten Dienstleister einzulagern und gleichzeitig international registrieren zu lassen, um es im Bedarfsfall spenden zu können.Wie die meisten Experten empfiehlt die GenoGyn nach heutigem Wissensstand eine Fremdspende.

Bei der wichtigsten Indikation, der Behandlung von Leukämie, würden lieber fremde Stammzellen transplantiert, um auch Zellen zur Verfügung zu haben, die eine immunologische Abwehr gegen Leukämiezellen entwickeln könnten, erklären die Mediziner.

Grund für die geringe Spendenbereitschaft ist nach den Worten Klinghammers die schlechte Öffentlichkeitsarbeit der staatlichen Banken. „Es ist den meisten niedergelassenen Gynäkologen und auch Schwangeren kaum bekannt, dass sie das Nabelschnurblut spenden können“, kritisiert der Kölner Gynäkologe.

Kliniken sollen Verträge mit Blutbanken schließen

Allerdings gibt es auch noch kein bundesweites Kliniknetz, das diese Spenden an die Banken weiterleitet. Bislang ist es nur möglich, in den Kliniken zu spenden, die im Umkreis von wenigen Stunden der öffentlichen Banken in Düsseldorf, Mannheim, Dresden, Erlangen, Freiburg und München liegen. Die Ärztliche Genossenschaft der Gynäkologen bemüht sich darum, dass Geburtskliniken überall in Deutschland Kooperationsverträge Blutbanken abschließen. Private Stammzell-Bänke haben nahezu alle Kliniken in Deutschland unter Vertrag. So kooperiert die größte private Bank Deutschlands, die Vita34, mit 900 der 950 Entbindungskliniken. Allerdings zögern viele Schwangere, ihr Nabelschnurblut dort einzulagern. Nur 1,5 Prozent der Schwangeren entscheiden sich nach Angaben Klinghammers dafür, weil es mit mehreren tausend Euro sehr teuer ist und der Sinn des Einlagerns nicht erkannt wird. Bei allen Krankheiten, die man heute in Deutschland mit Nabelschnurblut behandeln kann, werden ausschließlich allogene - also fremde - Präparate eingesetzt, kein eigenes Blut. „Denn dieses Blut trägt den Defekt wahrscheinlich schon in sich“, sagt Klinghammer.(apn)