Berlin. Die Menschen werden laut WHO immer dicker. Unsere Autorin hat nach Fehlern gelernt, wie Abnehmen nachhaltig gelingen kann.
Die Zahl übergewichtiger Menschen ist rasant gestiegen – eine Meldung, die es in den letzten Jahren so immer wieder gab. Sprich: der Mehrheit der Menschen wird dicker und dicker. Laut einer aktuellen Studie, an der auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beteiligt war, hatten 2022 mehr als eine Milliarde Menschen, Kinder wie Erwachsene, starkes Übergewicht – litten an Fettleibigkeit, auch Adipositas genannt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „The Lancet“
Der Anteil stark übergewichtiger Menschen hat sich demnach seit 1990 mehr als verdoppelt. Auch ich bin eine von Ihnen. Zwar leide ich nicht unter schwerer krankhafter Adipositas, dennoch ist mein Körperfettanteil ungesund hoch. Hinzu kommt das schlechte Gewissen mit Blick auf meine Vorbildfunktion. Denn bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 5 und 19 Jahren ist das Bild mit Blick auf Fettleibigkeit noch erschreckender: Hier hat sich der Anteil sogar vervierfacht. Und welch starken Einfluss das Elternhaus auf das Übergewichtsrisiko von Kindern hat, haben Studien ebenfalls bereits gezeigt.
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Stärker als noch meine Eltern achte ich bereits darauf häufiger selbst und gesünder zu kochen, habe um Stress zu kompensieren aber auch deutlich mehr genascht, als es gut wäre, und mich mit meinem Fulltime-Schreibtisch-Job weniger bewegt, als gesund. Und so wie mir geht es vielen – auch in Deutschland. Laut der aktuellen Erhebung lag der Anteil bei Frauen mit Adipositas 2022 hierzulande bei 19 Prozent, bei Männern bei 23 Prozent: Mehr als ein Fünftel der Deutschen ist also betroffen.
Ich ärgere mich, dass ich dazugehöre. Vor ein paar Jahren hatte ich gut abgenommen, die Ernährung umgestellt. Vielleicht zu stark, wie ich heute weiß. Psychischen Belastungen und Bewegungsmangel taten ihr Übriges. „Essen dient bei mentaler Belastung häufig der Kompensation“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Katrin Stücher. „Hinzu kommt, dass Stresshormone den Stoffwechsel regelrecht blockieren und wir so zusätzlich teils zu- oder zumindest schlechter abnehmen.“
Übergewicht ist Risikofaktor für viele Krankheiten
Das Paradoxe an der Sache: Wie die meisten weiß ich, dass auch Bewegung hilft, das eigene Stresslevel zu senken – und deutlich gesünder wäre. Ich weiß auch: Übergewicht ist nicht nur ein großer Risikofaktor für Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes, sondern schwächt zudem auch generell unser Immunsystem.
Nicht nur die Studienautoren sind alarmiert, auch die an der Erhebung beteiligte WHO. Die Organisation betont erneut, dass dem gesundheitlichen Risikofaktor Übergewicht durch gute Ernährung und Bewegung von Kindesbeinen an vorgebeugt werden könne, und fordert Regierungen unter anderem auf, Kampagnen über die Vorteile guter Ernährung und sportlicher Betätigung zu fahren.
Grundumsatz: Was der Körper in Ruhe verbraucht
Auch Andreas Wagner, Sportwissenschaftler und einer der Gründer von iQ athletik in Frankfurt/Main, beobachtet, dass etliche Menschen in den letzten Jahren an Gewicht zugelegt haben. „Das Problem ist, dass bei vielen Menschen Alltagswege wegfallen.“ Besonders auffällig sei dies bei Menschen, die im Homeoffice arbeiten. „Es wird oft unterschätzt, wie wenig Energie der eigene Körper ohne nennenswerte Belastung nur verbraucht.“ Ich fühle mich ertappt.
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Um den eigenen Bedarf zu ermitteln, gilt es den eigenen Grundumsatz beziehungsweise Ruheumsatz zu kennen. Dieser gibt an, wie viel Energie der Körper benötigt, um alle lebenswichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten, ohne sonst etwas leisten zu müssen – vergleichbar mit dem Spritverbrauch eines Motors im Stand. Beim Menschen ist dieser Energieverbrauch von etlichen Faktoren abhängig – unter anderem Alter, Geschlecht, Gewicht und Muskelmasse. Aber auch Medikamente sowie hormonelle und genetische Faktoren spielen eine Rolle.
So ermittelt man den Grundumsatz
Näherungswerte lassen sich mit einer Formel (siehe Tabelle) berechnen. Ich selbst komme so auf eine Voraussage meines täglichen Grundumsatzes von 1634 Kilokalorien (kcal). Im Netz spucken mir verschiedene Grundumsatz-Rechner höhere Werte aus: Sie liegen zwischen 1717 kcal und 1731 kcal – energietechnisch ein Unterschied von einer Banane mehr pro Tag. Angeben musste ich hier für die Berechnung zusätzlich auch meine Körpergröße.
Wer es genauer wissen will: Einige Sportmediziner, medizinische Einrichtungen oder auch Sportwissenschaftler bieten eine individuelle Ruheumsatzmessung an – so auch iQ athletik. Dort wurde bei mir ein Wert von 1620 kcal ermittelt. Noch niedriger also als alle Berechnungen.
So wird die Basis des täglichen Energiebedarfs ermittelt
Der individuelle Ruheumsatz wird mittels Spiroergometrie bestimmt– auch Kalorimetrie genannt. Statt per Formel einen Schätzwert zu berechnen, wird bei diesem Verfahren der Energieverbrauch eines Menschen in Ruhe an Hand seiner Atemluft bestimmt. Dies ist möglich, da man weiß, wie viel Sauerstoff und Kohlendioxid bei der Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten verbraucht beziehungsweise produziert werden. Mithilfe einer speziellen Gesichtsmaske werden die Atemgase aufgefangen, analysiert und so der individuelle Ruheumsatz bestimmt.
Die Messung dauert etwa 20 Minuten und erfolgt morgens: nüchtern und im Liegen – möglichst ohne jegliche Bewegung. Der Organismus sollte entspannt sein, der Stoffwechsel nicht angekurbelt. Bereits 24 Stunden vor der Messung sollte kein Sport getrieben werden. Ideal wäre es, bei der Messung einzuschlafen, um so ein möglichst exaktes Ergebnis zu bekommen.
Grundumsatz zeigt, wie viel man unbedingt essen sollte
Doch was bedeutet der ermittelte Wert für mich nun konkret? Mir wird erklärt, dass ich auf keinen Fall weniger essen darf, als mein Körper in Ruhe benötigt. „Wird der Grundumsatz über längere Zeit unterschritten, schläft der Stoffwechsel ein und man nimmt nicht mehr ab“, erklärt Stücher. Zudem sei ein Jo-Jo-Effekt vorprogrammiert. So wie bei mir.
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Um meine überflüssigen und ungesunden Kilos loszuwerden und fehlende Wege auszugleichen, rät die Ernährungsexpertin, als Erstes wieder mehr Bewegung in den Alltag zu bringen. Die eigene Inaktivität im Homeoffice ist nämlich oft erschreckend. An langen Arbeitstagen, ohne zusätzliche Spaziergänge oder Yoga-Einheiten, komme ich oft lediglich auf 1500 Schritte. Traurigstes Tief: knapp 500 Schritte auf meiner Schrittzähler-App. Zur Einordnung: Die WHO rät, mindestens 10.000 Schritte am Tag zurückzulegen. Fahre ich mit der Bahn ins Büro, laufe zu Kollegen, statt zu telefonieren, und esse ich mittags draußen, schaffe ich diese leicht.
Zum Abnehmen mindestens 10.000 am Schritte an Tag
„Wenn man unter 5000 liegt, ist das unter dem Durchschnitt“, erklärt Stücher. „Das erste Ziel wäre dann, tatsächlich auf die empfohlenen 10.000 Schritte am Tag zu kommen.“ Wenn man das bis abends nicht geschafft habe, rät Stücher, einfach noch eine große Runde um den Block zu drehen. Ich persönlich bin froh, dass es nun langsam wieder länger hell ist. So fällt mir das abends deutlich leichter.
Zusätzlich rät Stücher, die eigene Ernährung und den eigenen Energieverbrauch für ein paar Tage mit einer App zu tracken, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was der eigene Körper braucht und wie viel man isst. „Wenn die Balance stimmt und man einige Lebensmittel durch gesündere ersetzt, sollten die Kilos auch weniger werden“, so Stücher.
„Durch mehr Gemüse senke ich automatisch meine Kalorien, ohne groß zählen zu müssen – und bleibe länger satt.“ Außerdem empfiehlt Stücher: Sich bei den Hauptmahlzeiten richtig satt essen und Snackpausen durch Bewegungspausen ersetzen – einerseits um den eigenen Umsatz zu steigern, andererseits um dem Körper Zeit zum Verbrennen der gegessenen Kalorien zu geben. Ich bin bereit, gehe mein Übergewicht an – im wahrsten Sinne des Wortes. Und waren laut aktueller Erhebung insgesamt rund 880 Millionen Erwachsene stark übergewichtig, ist es hoffentlich schon bald eine Person weniger.