Amsterdam/Berlin. Grünes Licht für den Impfstoff von Astrazeneca: Die zuständige Behörde der EU hat das Vakzin noch einmal auf den Prüfstand gestellt. Jetzt wird der Impfstopp in Deutschland wieder aufgehoben.
Entwarnung für den Impfstoff von Astrazeneca: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA sieht die Vorteile des Vakzins als deutlich größer an als die Risiken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Impfungen mit dem Präparat in Deutschland am Montag (15. März) vorerst gestoppt. Auch andere Länder setzten die Impfungen aus. Nun gab Spahn wieder grünes Licht für das Vakzin. Ab diesen Freitag (19. März) starten in den Bundesländern die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin wieder, so dass in der Folge allmählich überall auch wieder neue Impftermine vergeben werden können.
Wie sieht die EMA den Impfstoff?
Die Europäische Arzneimittelbehörde hat das Präparat von Astrazeneca nie negativ bewertet - aber nach dem vorläufigen Stopp noch einmal überprüft. Auslöser waren Fälle von Thrombosen, also Blutgerinnseln, in Hirnvenen nach einer Impfung. Hinweise darauf, dass die Impfungen die Vorfälle verursacht hätten, hat die
EMA aber nicht gefunden. Ausgeschlossen sei dies zwar auch nicht. Aber EMA-Chefin Emer Cooke ist davon überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen erfüllt: Er sei sicher. Er sei wirksam gegen Covid-19. Und deshalb überwögen die Vorteile bei Weitem die Risiken.
Was soll nun geschehen?
Der Impfstoff soll mit einer Warnung versehen werden. Demnach soll er in möglichen seltenen Fällen Thrombosen an Hirnvenen bei Frauen unter 55 Jahren verursachen können. Unterm Strich sehen EMA und das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland aber keine unvertretbar höheren Gesundheitsgefahren. In Deutschland soll es möglichst an diesem Freitag schon wieder losgehen können mit den Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin, kündigte Spahn in einer mehrfach verschobenen und dann kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in seinem Ministerium an. Die Bundesländer stehen in den Startlöchern.
Warum hatte Spahn die Impfungen nicht gleich weiterlaufen lassen?
Er selbst sagt, der Impfstopp sei richtig gewesen. Nutzen und Risiken seien abgewogen worden. "Wichtig für das Vertrauen ist jedoch die informierte Entscheidung, das informierte Impfen." Den Anfang machte vergangene Woche Dänemark mit der Aussetzung der Impfungen. Nachdem es in Deutschland zu einigen Thrombosefällen kam, riet zu Wochenbeginn das PEI als die zuständige Behörde zu diesem Schritt. Zu auffällig waren für die Experten die Fälle nach den Impfungen. Nun sollen Ärzte und Patienten auf Aufklärungsbögen über die Thromboserisiken informiert werden - solange die nicht gedruckt sind, können Ärzte diese Infos auch handschriftlich ergänzen, wie Spahn ankündigte.
Was hat es mit den Thrombosen überhaupt auf sich?
Es handelt sich um Blutgerinnsel in Hirnvenen. 13 Fälle sind im Zusammenhang mit einer Impfung in Deutschland inzwischen gemeldet. Drei endeten tödlich. Zwölf Frauen und ein Mann zwischen 20 und 63 Jahren erlitten eine solche Thrombose. Das ist nur ein kleiner Bruchteil der insgesamt 1,78 Millionen Menschen, die Astrazeneca mittlerweile laut Robert Koch-Institut (RKI) erhalten haben. Doch diese sonst auch auftretenden Thrombosen sind statistisch gesehen sonst noch seltener zu erwarten.
Wie weit sind die Corona-Impfungen in Deutschland?
10 Millionen Impfdosen sind mittlerweile verabreicht worden - davon laut den aktuellen Zahlen des
RKI rund 8 Millionen von Biontech/Pfizer, 1,78 Millionen von Astrazeneca und 0,35 Millionen von Moderna. Rund 198.000 Impfdosen wurden am Mittwoch (17. März), zwei Tage nach dem Astrazeneca-Stopp, noch verabreicht. Zuvor waren es bis zu 294.000 am Tag gewesen. 3,7 Prozent der Bevölkerung sind vollständig mit zwei Dosen geimpft. 6,97 Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten.
Was hätte ein Aus für Astrazeneca für die Impfkampagne bedeutet?
Millionen Impfungen wären erst einmal weggefallen. Denn bis April sollen die Lieferungen von Astrazeneca auf insgesamt 5,6 Millionen Dosen wachsen. Im zweiten Quartal sollen 16,9 Millionen Dosen des Astrazeneca-Vakzins geliefert werden. Der Rückschlag wäre allerdings mit der Zeit aufgeholt worden. Bereits bis April sollen die Lieferungen von Biontech/Pfizer auf 12 und die von Moderna auf 1,8 Millionen Dosen anwachsen. Im zweiten Quartal sollten von beiden Impfstoffen zusammen 46,6 Millionen Dosen geliefert werden. Bis alle Erwachsenen eine Impfung erhalten können, dauert es laut Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung mit Astrazeneca bis Ende August - ohne dieses Vakzin bis Ende September. Die Regierung will das Versprechen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass allen ein Impfangebot bis Ende des Sommers gemacht wird, auf jeden Fall halten.
Welche Rolle spielen weitere Impfstoffe?
Auf längere Sicht dürfte kein Mangel an Impfstoff herrschen. Ab der zweiten Aprilhälfte soll das Präparat des US-Konzerns Johnson-&-Johnson-Stoffs geliefert werden. Der Impfstoff von Curevac (Tübingen/Niederlande) könnte im Sommer folgen. Außerdem prüft die EMA derzeit eine Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik V.
Wie geht es jetzt weiter?
Zum Beispiel Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nehmen die Impfungen mit Astrazeneca an diesem Freitag (19. März) wieder auf, wie ihre Landesregierungen mitteilten. Im Südwesten sollen verfügbare Termine zunächst weiter Menschen über 80 sowie den über 65-Jährigen aus besonders gefährdeten Berufsgruppen angeboten werden. In Nordrhein-Westfalen soll Astrazeneca Berufsgruppen wie etwa Lehrerinnen und Lehrern an Grund- und Förderschulen zur Verfügung gestellt werden. Im Saarland sollen Impfungen in einem Modellprojekt der Hausarztpraxen sowie in Krankenhäusern fortgesetzt werden. In Hamburg soll das Astrazeneca-Mittel etwa in Schwerpunktpraxen Menschen mit besonderen Erkrankungen verabreicht werden.
Deutschlands Hausärzte sollen voraussichtlich nach
Ostern flächendeckend mit den Corona-Impfungen beginnen - allerdings
mit nur einer Sprechstunde pro Woche. Das sieht ein Beschlussentwurf
des Kanzleramts vor, den Bund und Ländern am Freitag auf ihrem
Impfgipfel beraten haben. Er lag der Deutschen Presse-Agentur aus
mehreren Quellen vor. "Mit den Mengen, die wir in den ersten
Aprilwochen erwarten, (.) wird es in den Hausarztpraxen erstmal mit
etwa umgerechnet einer Impfsprechstunde pro Woche beginnen können",
sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Berlin.
Mit wie viel Impfstoffdosen wird gerechnet?
Schritt für Schritt soll es mehr Impfungen geben. Vergangene Woche,
also vor der Unterbrechung der Impfungen mit dem Vakzin des
Herstellers Astrazeneca, spritzten die Länder knapp 1,8 Millionen
Impfdosen. In der Woche nach Ostern sollen knapp 3,3 Millionen Dosen
geliefert werden. Die niedergelassenen Ärzte sollen davon laut dem
Entwurf rund eine Millionen Dosen verabreichen. Das wären bei einer
Beteiligung von 50.000 Praxen je 20 Dosen pro Woche.
Einen Schub soll es drei Wochen später geben: In der letzten
Aprilwoche sollen 5,4 Millionen Dosen geliefert und davon 3,2
Millionen in den Praxen verabreicht werden. Von Bürokratie sollen
diese entlastet werden. Dann könnten erstmals mehr Dosen in die
Praxen als in die Impfzentren gehen. Für die Zentren sollen 2,25
Millionen Dosen pro Woche reserviert bleiben, wie aus dem teils
vorabgestimmten Kanzleramtsentwurf hervorgeht. In einigen
Bundesländern sind bereits jetzt in ausgewählten Arztpraxen Impfungen
möglich. Hier werden etwa Krebspatienten versorgt.
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