Berlin. Diät-Experte Bas Kast hat selbst abgenommen und das hat viele positive Effekte. Seine Tipps zu Low-Carb, Low-Fat und Intervallfasten.

Bis vor wenigen Jahren hat sich der Autor und Wissenschaftsjournalist Bas Kast, der eigentlich aus der Hirnforschung kommt, selbst sehr ungesund ernährt: Zuckerhaltige Getränke, Fertiggerichte, Junkfood und Süßes waren Alltag. Dann bekam er massive Herzprobleme, fühlte sich auch sonst nicht mehr fit. Über eine Diät stieg er in das Thema Ernährung ein und war fasziniert, wie schnell er sich besser fühlte.

Er schrieb den Bestseller „Der Ernährungskompass“. Über 3000 Studien hat er dafür ausgewertet, etwa zwei Jahre seines Lebens der Recherche gewidmet. Viele Menschen hat der 46-Jährige so dazu gebracht, über die eigene Ernährung nachzudenken. Er selbst ist inzwischen weniger radikal als noch zu Beginn seiner Lebensumstellung – aber einige Tabus auf dem Speiseplan sind geblieben.

Herr Kast, hatten Sie diese starke Resonanz auf Ihr Buch erwartet?

Bas Kast: Nein, zumal mein alter Verlag das Buch auch ablehnte und ich mir einen neuen Verlag suchen musste. Auch ich selbst hatte am Anfang schon sehr viel Respekt vor diesem Buch, da es ja für mich fachfremd war, auch wenn ich mich mit der Auswertung von Studien an sich per se natürlich gut auskannte. Über den Grund des Erfolgs kann ich nur spekulieren. Aber was ich von Lesern an Feedback bekomme, ist, dass sie es sehr angenehm finden, dass das Buch nicht belehrend ist, sondern ihnen die Hintergrundinformationen zum Thema Ernährung vermittelt, einen Überblick verschafft und auch deutlich macht: Es gibt nicht immer ein Schwarz oder Weiß.

„Der Ernährungskompass“ von Bas Kast ist ein Bestseller.
„Der Ernährungskompass“ von Bas Kast ist ein Bestseller.

Was ist Ihr Fazit?

Kast: Einiges ist sehr klar, beispielsweise, dass man mehr Natürliches, mehr Pflanzliches essen sollte, kein Junkfood, möglichst wenig Zucker, keine hochverarbeiteten Lebensmittel, insbesondere kein verarbeitetes Fleisch wie Wurst und auch insgesamt mit tierischen Produkten eher sparsam sein sollte. Aber nicht alles ist bekannt. Zum Beispiel bei Butter ist es sehr schwer zu sagen, ob diese jetzt gesund ist oder nicht. Auch bei Eiern ist es relativ schwierig. Bei anderem ist die Befundlage sehr widersprüchlich, wie bei Milch.

Sie schaffen einen Überblick und zeigen, dass es am Ende vielleicht gar nicht darum geht, Low Carb, Low Fat, vegetarisch oder vegan zu leben. Worauf kommt es denn aus Ihrer Sicht wirklich an?

Kast: Es ist wichtig, sich auf Basis aller Informationen über gesundes Essen eine eigene Ernährungsrichtung zusammenzustellen, bei der es eine gewisse Flexibilität und eigene Ausgestaltung gibt – angepasst an den eigenen Geschmack, sodass man auch langfristig bei der Stange bleibt. Jeder muss seinen Weg finden, der gesund ist und der sich mit persönlichem Genuss vereinbaren lässt. Hinzu kommt, dass nicht jede Ernährungsweise bei jedem zu den gleichen Erfolgen und gesundheitlichen Veränderungen führt. Bei einem funktioniert Low Fat, bei anderen nicht. Und wenn man keine Erfolge sieht, ist das dann natürlich frustrierend. Dann sollte man etwas anderes ausprobieren.

Wie war das bei Ihnen?

Kast: Mir ging es einfach nicht gut. Ich hatte einen Speckring entwickelt, beim Joggen hatte ich anfangs ein Herzstolpern und eines Tages plötzlich ein richtige Herzstechen, sodass ich mich auch nicht traute, weiter zu laufen. Ich wusste, ich muss etwas tun, auch wenn ich mit meinen Kindern in ein paar Jahren noch Fußball spielen will oder Ähnliches. Um erst mal abzunehmen, habe ich zum Start eine sehr pflanzenorientierte Low-Carb-Diät (weniger Kohlenhydrate, Anm. der Redaktion) gemacht. Und ich merkte bereits nach zwei, drei Wochen, dass es mir besser geht. Ich fühlte mich fitter, hatte weniger Kopfschmerzen, schlief besser. Nach ein paar Monaten verschwanden auch die Herzbeschwerden allmählich. Und nach einem Jahr waren sie vollkommen weg. Anfangs hatte ich ehrlicherweise noch gar nicht bedacht, dass auch diese mit meiner Ernährung zusammenhängen könnten. Und auch Depressionen, Rheuma, Typ-2-Diabetes und eine ganze Reihe anderer Erkrankungen können wir durch die Ernährung ja positiv beeinflussen oder verhindern. Mal ganz abgesehen von der höchst problematischen Massentierhaltung.

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    Die eigene Gesundheit und auch der ethische Aspekt sind für viele der Auslöser, eine Diät anzufangen oder sich bewusster und gesünder ernähren zu wollen. Leider kommt einigen dann der innere Schweinehund oder Heißhunger dazwischen. Was kann hier helfen, um durchzuhalten?

    Kast: Zum einen ist es natürlich der Blick in die Zukunft – wie viel wir gewinnen können. Man fühlt sich nicht nur fitter, einem geht es langfristig tatsächlich viel besser. Auch unsere Geschmacksknospen werden mit der Zeit wieder sensibler und man kann natürliches Essen in seiner Vielfalt wieder sehr genießen. Wichtig ist, dass man hier experimentiert und die gesunden Lebensmittel findet, die man mit Genuss verzehrt. Und nicht beispielsweise Brokkoli nur isst, weil er sehr gesund ist. Vielen hilft es zudem, einfach nicht mehr den ganzen Tag zu essen, sondern einige Stunden wie beim Intervall-Fasten keine Nahrung und so automatisch weniger Kalorien zu sich zu nehmen. Außerdem ist es gerade zum Start sehr wichtig, seinen Hunger richtig zu stillen. Dafür sollte man einfach pures Proteineiweiß in die Diät hineinschmuggeln, da dieses sehr sättigend ist. Gute Quellen wären insbesondere Fisch wie Lachs, Hering, Sardinen oder Forelle ergänzt durch Quark und Joghurt und insbesondere um viele pflanzliche Proteine – Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen, Kichererbsen und natürlich Gemüse. Einmal die Woche darf es auch mal etwas Landhuhn sein.

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    © C. Bertelsmann | C. Bertelsmann

    Sie betonen außerdem die Bedeutung der Ballaststoffe, die insbesondere in Vollkornprodukten, den verschiedensten Samen, aber auch in Gemüse enthalten sind. Warum sind diese entscheidend im Kampf gegen den Heißhunger?

    Kast: Es gibt eine neue Theorie, die besagt, dass der eigene Körper satt sein kann, aber dass das nichts nützt, wenn die Darmbakterien noch nicht satt sind. Und davon haben wir etwa zwei Kilo im Körper. Die wollen auch etwas futtern und mögen eben Ballaststoffe sehr gerne. An die Fett-Pölsterchen im Körper kommen sie aber dagegen nicht. Es ist noch nicht abschließend klar, ob diese Theorie stimmt oder nicht, aber es sprechen viele Daten dafür, dass Ballaststoffe, egal wie, sehr gut sättigen.

    An sich wäre es ja nicht schwer, sich gesund zu ernähren. Lecker wäre es obendrein. Dennoch warten im Supermarkt, in der Stadt überall leckere Versuchungen …

    Kast: Das ist das Gemeine. Zwei, drei Wochen muss man dieser enormen Gewohnheit und den Verlockungen von dem ganzen Industriefood entgehen. Das muss man sich ja auch vor Augen halten, dass man darauf getrimmt wird, dass es uns im ersten Moment so gut schmeckt, dass wir den nächsten Schluck auch wollen. Dass uns die Lebensmittel im Grunde süchtig machen und wir sie wieder kaufen. Das heißt, es gehört eine gewisse langfristige Perspektive dazu, zu der Einsicht zu kommen: Okay, ich verzichte jetzt auf diese ersten Momente dieser verführerischen, leckeren Verarschung.

    Das schaffen aber nicht alle. Müsste die Gesellschaft hier auch durch die Politik mehr geschützt werden?

    Kast: Ja, ich finde es regelrecht kriminell, dass so etwas wie Süßigkeiten-Werbung überhaupt erlaubt ist. Eine Zucker-Werbung für Kinder ist fatal, weil Zucker einfach schädlich ist und die Kinder wehrlos sind. Da kann man nicht mehr nur über Einsicht gehen. Diesen Weitblick können Kinder noch nicht haben. Sie müssten besser geschützt werden. Und ja, auch als Erwachsener muss man sich heute selber schützen.

    Wie ist es heute bei Ihnen? Sind Sie noch sehr radikal in Ihrer Ernährungsweise?

    Kast: Lange nicht mehr so wie früher. Aber Limos, Hochverarbeitetes und Süßes sind noch immer No-Gos. Zu Weihnachten habe ich mir zwar mal ein Stück Lebkuchen gegönnt, aber ich brauche es nicht. Es ist mir zu süß und ich bin mit 90-prozentiger Schokolade sehr glücklich. Vieles ist einfach in Fleisch und Blut übergegangen. Darüber hinaus möchte ich mich jetzt auch mit neuen Themen befassen. Gute Ernährung ist für mich kein Lebensziel. Gute Ernährung ist nur ein Mittel zum Zweck.

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