Essen. Demenzerkrankungen nehmen zu. Eine Expertin gibt Tipps, wie sich Nachbarn richtig verhalten, wenn Bewohner im Haus plötzlich auffällig werden.

Die Zahl der Demenzerkrankten steigt: Jedes Jahr kommen bundesweit rund 40.000 Fälle hinzu. Die Auswirkungen spüren dabei zunehmend auch Nachbarn von Alleinstehenden. Menschen, die bisher ruhige und unauffällige Bewohner waren, zeigen plötzlich Ausfallerscheinungen, laufen verwirrt im Haus herum oder werden aggressiv. Wie können Nachbarn reagieren, ohne den Betroffenen ihre Würde zu nehmen?

„Sprechen sie den betroffenen Nachbarn zunächst in Ruhe an. Reden sie mit ihm und bieten sie ihm Hilfe an“, sagt Monika Tolksdorf-Henkel, Diplom-Psychologin beim Landesverband der Alzheimer Gesellschaften in Nordrhein-Westfalen. Als Sofortmaßnahme könne zudem schon ein Glas mit Wasser helfen, denn: „Von einer Demenz betroffene Menschen vergessen häufig zu trinken. Die Verwirrung kann sich durch eine Austrockung auch noch verstärken. Bieten sie deshalb immer erst ein Glas Wasser an.“

Zudem sollten Nachbarn versuchen, Kontakt mit den Angehörigen herzustellen. Dafür könnten sie die an Demenz erkrankte Person einbinden: „Fragen sie nach, ob sie einen Verwandten anrufen sollen. Oder bieten sie der Person an, bei der Suche nach Adressen und Telefonnummern zu helfen.“ Auch ein Gespräch mit dem Vermieter könne eine sinnvolle Möglichkeit sein - sofern der Vermieter den betroffenen Menschen kennt.

Wer nicht handelt, kann sich strafbar machen

Sollte es keine Verwandten geben oder seien diese trotz aller Bemühungen nicht auffindbar, müssten Nachbarn trotzdem handeln. Denn: Sollte einem Dementen in einer hilflosen Lage etwas zustoßen, dann könnten sich Nachbarn unter Umständen wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen. „Man sollte sich in jedem Fall an die zuständigen Stellen bei der Stadt oder Kommune wenden. Das kann zum Beispiel das örtliche Sozialamt sein“, rät Tolksdorf-Henkel.

Die Behörden müssten bei einem Hinweis auf eine womöglich hilflose Person einschreiten und zumindest bei ihr vorstellig werden. In einem wirklichen Notfall sollte die Feuerwehr oder die Polizei alarmiert werden. Die Einsatzkräfte haben mehr rechtliche Befugnisse als der Vermieter - und dürfen bei Gefahr im Verzug auch eine Wohnung öffnen und betreten.

Hinweisgeber müssten sich nicht schlecht fühlen, wenn sie aus Sorge um einen Nachbarn offizielle Stellen alarmierten. Denn eine Demenz sei für die Behörden nicht automatisch ein Grund, Menschen in ein Pflegeheim einzuweisen: „Viele Demenzerkrankte können durchaus noch längere Zeit alleine wohnen. Wichtig ist, dass sie Unterstützung erhalten, etwa von einem Pflegedienst oder durch Haushaltshilfen.“

Wann ein gesetzlicher Betreuer Sinn macht

Möglich sei auch, dass einem Demenzerkrankten nach der Überprüfung ein gesetzlicher Betreuer an die Seite gestellt wird. Dieser kümmert sich dann - im Sinne der Betroffenen - um deren Angelegenheiten. Das kann etwa Finanzielles sein oder auch Fragen einer möglichen Heimunterbringung. Auch in einem solchen Fall müssten sich Nachbarn nicht sorgen, etwas Verkehrtes getan zu haben: „Leider gibt es Menschen, die Demenzkranke in ihrer hilflosen Lage ausnutzen. Das kommt viel häufiger vor, als man denkt“, sagt die Expertin. Ein vom Gericht bestellter Betreuer könne in einem solchen Fall verhindern, dass erkrankte Menschen Opfer von Betrügereien oder unlauteren Geschäftspraktiken würden.