Essen. Konsumenten können sich auf die blumigen Slogans der Werbeindustrie nur bedingt verlassen. In vielen Fällen kommt es auf die Interpretation an.

Dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wurde Anfang dieser Woche eine zweifelhafte Ehre zuteil: Die Verbraucherorganisation Foodwatch verlieh dem grünen Landesvater den „Goldenen Windbeutel“. Den Preis gibt es einmal jährlich für besonders dreiste Werbelügen. Die beanstandete Reklame macht der Politiker nicht selbst, sondern der Babynahrungshersteller Alete, der allerdings dem Land mit gehört. Alete vertreibt Trinkbrei, von dessen Genuss Kinderärzte und selbst die Landesregierung abraten, weil sie Karies und ein ungesundes Essverhalten fördern. „Bis heute sind die Trinkmahlzeiten unverändert im Handel und werden weiterhin fälschlicherweise wie babygerechte Produkte vermarktet“, kritisiert Foodwatch.

Das zuständige Ministerium will sich über den Aufsichtsrat für eine verbraucherfreundliche Lösung des Problems einsetzen. Doch selbst wenn es gelingt, ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Konsumenten werden häufig mit Werbeaussagen angelockt, die überzogene Erwartungen wecken. Die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Zusagen verläuft mitunter fließend.

Schwächen werden schöngeredet

Ein Beispiel dafür ist ein Koffeinshampoo, das als „Doping für die Haare“ beworben wird. „Es kann sogar erblich bedingten Haarausfall nachweislich bremsen“, versichert der Hersteller Alpecin. Ein Praxistest der ARD mit drei Herren mit schütterem Haupthaar als Testpersonen ergab, dass sich am sparsamen Haarkranz auch nach wochenlanger Nutzung des Produktes kaum etwas tat. Die Werbeaussage muss deshalb nicht einmal falsch sein. Welcher Mann weiß schon, ob ihm die Haare ausgehen, weil er erblich dafür veranlagt ist? Und „bremsen“ kann auch bedeuten, dass täglich statt zehn Haaren im Schnitt nur neun ausfallen.

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Besonders einfallsreich sind drei Branchen, wenn es um blumige Versprechen geht. Die Reiseindustrie ist eine davon. Angaben in den Katalogen sind häufig so formuliert, dass Schwächen des Angebotes übertüncht werden, ohne dass enttäuschte Kunden später einen Reisemangel geltend machen können. Beispiele dafür gibt es reihenweise. Ein Direktflug nach Barcelona kann durchaus auf Mallorca zwischenlanden. Wenn die Maschine nicht gewechselt wird, bleibt es ein Direktflug. Nur der Nonstop-Flug bringt den Urlauber auf kürzestem Weg zum Ziel.

Verweist der Anbieter auf eine „internationale Atmosphäre“ im Hotel, sollte sich der Gast auf laut feiernde Reisegesellschaften einstellen. Ein „zweckmäßig eingerichtetes Appartement“ ist in der Regel schmucklos und das Einrichtungsniveau auf einem unteren Level.

Skepsis sollte bei Werbeversprechen angebracht sein

Die Firmen, die ihr Geld mit der vermeintlichen Schönheit verdienen, schwelgen in der Werbung auch gerne in Superlativen, wenn sie in den Kampf gegen Übergewicht oder Falten ziehen. „Krank statt schlank“, titelte die Stiftung Warentest, nachdem sie Schlankheitsmittel aus dem Internet untersucht hatte. Viele Präparate enthielten ungesunde Inhaltsstoffe. Auch ein Test der im Handel erhältlichen Produkte ergab ein ernüchterndes Ergebnis. Die in der Reklame gerne verwendeten Bilder, die Konsumenten vor und nach der Diät zeigen und eine starke Gewichtsreduktion vorgaukeln, sind stark übertrieben. Von 20 im vergangenen Jahr getesteten Mitteln waren 15 wirkungslos, fünf führten zu einer geringen Abnahme des Gewichts. Die Angebote zielten vor allem auf das Portemonnaie der Konsumenten, stellten die Verbraucherschützer fest.

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Skepsis ist auch bei Anti-Falten-Cremes angebracht. Allerdings ergaben Tests hier, dass zumindest geringe Effekte erwartet werden können. Doch übereinstimmend zeigte sich auch hier stets, dass sich tiefe Furchen im Gesicht nicht dauerhaft zukleistern lassen. Auch das sieht in den TV-Spots anders aus. Was Werbung darf und was nicht, ist vor allem bei gesundheitsbezogenen Aussagen umstritten. Im kommenden Jahr will die EU-Kommission gemeinsame Kriterien für die Kosmetikwerbung erarbeiten. Heute sind die Spielräume der Industrie noch vergleichsweise groß. Immerhin gibt es hier eine Marktüberwachung. Wenn zum Beispiel eine Feuchtigkeitscreme die Haut 24 Stunden zu versorgen verspricht, muss das Produkt auch entsprechende Inhaltsstoffe enthalten.

Irreführende Aussagen verboten

Auch die Ernährungsindustrie als dritte Branche, die mit irreführender Werbung immer wieder auffällt, müsste sich eigentlich an klare Regeln halten. So sind gesundheitsbezogene Versprechen verboten, oder der Effekt muss wissenschaftlich nachgewiesen werden. Doch die Grenzen verlaufen hier fließend, was viele Verbraucher bei der Einschätzung eines Produktes nicht wissen. So hat der Bundesgerichtshof nach jahrelangem Rechtsstreit um den Früchtequark Monsterbacke entschieden, dass die Aussage „so wichtig, wie das tägliche Glas Milch“ nicht irreführend sei, auch wenn der Zuckergehalt des Produktes deutlich über dem von Milch lag. Verbrauchern bleibt am Ende nur eines: Genau lesen, was drin ist und nicht auf bunte Bilder und blumige Slogans vertrauen.