Essen.. Die Zahl der an einer Depression erkrankten Jugendlichen ist gestiegen. Experten machen dafür familiäre Probleme und Leistungsdruck verantwortlich.
„Mein Leben ist nichts. Weil ich Angst habe, liebt meine Mutter mich nicht mehr. Ich halte es nicht mehr aus.“ „Ich kann seit Wochen nicht zur Schule zu gehen. Ich sitze morgens im Bus und kann nicht aussteigen. Ich weiß nicht mehr weiter.“ Diese Zitate stammen von Anna und Lucie. Die beiden 15-Jährigen sind an Depression erkrankt und damit in unglücklicher Gesellschaft, wie Sie heute in der Fortsetzung unseres Themenschwerpunktes lesen.
Denn die Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit der Diagnose Depression im Krankenhaus behandelt wurden, hat deutlich zugenommen. Wurden 2004 noch 4176 10- bis 20-Jährige stationär mit einer Depression behandelt, waren es nach Angaben des Bundesamtes für Statistik im Jahre 2012 bereits 12 567.
Umweltfaktoren spielen entscheidende Rolle
Eine Depression ist zu 20 bis 30 Prozent erblich bedingt. ,,Die Umweltfaktoren spielen die entscheidende Rolle“, sagt Prof. Johannes Hebebrand, Chefarzt am LVR-Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Essen. Tod, Scheidung, ein Umzug, Schulwechsel, Leistungsdruck und Stress seien Risikofaktoren für eine Depression bei Kindern, sie machten das Kindesalter nicht fröhlicher. Kinder, die besonders trennungsängstlich sind, eine ausgeprägte Schüchternheit aufweisen und sich hierdurch schwer tun in Kontakt mit Gleichaltrigen zu treten, tragen ein erhöhtes Risiko.
Für Hebebrand steht fest, dass die veränderte Struktur der Gesellschaft auch dafür verantwortlich ist, dass vermehrt junge Menschen mit einer Depression Hilfe suchen. Ein depressives Kind bereite möglicherweise heute stärkere Probleme als noch vor 30 Jahren; damals gab es meist mehr Geschwister, weitere Angehörige waren erreichbar; auch der Anteil alleinerziehender Eltern war kleiner.
In seiner Klinik werden Kinder und Jugendliche aus allen Schichten beraten und behandelt. Aber, ,,Depression tritt häufiger bei sozial niedriger Schichtzugehörigkeit auf.“ Möglicherweise ist das eine Konsequenz des Stresses, der durch erhöhten wirtschaftlichen Druck entsteht.
Schulverweigerung als Folge
Doch eine Depression kommt häufig gemeinsam mit anderen psychischen Störungen vor. Neben Schulverweigerung als Folge der Antriebslosigkeit, haben die Betroffenen häufig auch noch Angst- und Essstörungen. In ambulanten und stationären Therapien lernen die Patienten, aufzustehen, Kontakte herzustellen, ungünstige bzw. negative Denkweisen zu hinterfragen und abzulegen. Sie sollen nicht im depressiven Sumpf versinken.
Das sieht auch Julia Ebhardt so. Die angehende Kinder- und Jugendpsychotherapeutin arbeitet für die Deutsche Depressionshilfe und betreut die Homepage www.fideo.de. Dabei handelt es sich um ein Informationsangebot mit moderiertem Selbsthilfe-Forum zum Thema Depression bei jungen Menschen. Es richtet sich an Eltern, Lehrer, aber vor allem an betroffene junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren. ,,Der entscheidende Unterschied zu den Foren in Sozialen Netzwerken ist, dass wir das Forum moderieren und einen respektvollen Umgangston garantieren“, sagt Ebhardt. Unangenehme, beleidigende Beiträge gebe es nicht. Häufig sei das Forum der erste Schritt, sich Hilfe zu holen.
Mädchen doppelt so häufig krank
Bei den über 12-Jährigen sind Mädchen doppelt so häufig (10 Prozent) betroffen wie Jungen (3 bis 5 Prozent). Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie kommen Depressionen auch bei Kleinkindern vor: ,,Grundschulkinder berichten selbst über ihre Traurigkeit, weisen häufig gleichzeitig Symptome von Ängstlichkeit auf und haben Schlafstörungen.“
Doch es gibt Hoffnung, wie ein Jugendlicher auf Fideo (fighting depression online) aus seiner Therapie schreibt: „Ich merke, dass es besser wird. Mein Doc ist auch zufrieden.“