Essen. .

Die Eheleute Krupp von Bohlen und Halbach – Bertha mehr noch als Gustav – begegneten der Hitler-Bewegung mit einer Mischung aus Verachtung, Skepsis und resignativer Fügung in das kleinere Übel. Folglich spendete das Ehepaar Krupp vor der „Machtergreifung“ weder aus der Firmenkasse noch aus ihrer Privatschatulle der NSDAP auch nur eine Mark. Scharen von Anklagevertretern haben im Vorfeld der Nürnberger Prozesse in 80 Tonnen Krupp-Akten vergeblich nach Hinweisen gesucht. Krupp lehnte es vor 1933 auch entschieden ab, Hitler persönlich kennenzulernen und ließ den Reichsverband der deutschen Industrie, dessen Präsident er war, beim Reichspräsidenten gegen eine Berufung Hitlers ins Kabinett intervenieren.

Umso dramatischer vollzog sich dann nach 1933 der Anpassungsprozess an die Fakten, die das Regime schuf – obwohl Krupp in nahezu allen wirtschaftspolitischen Fragen nicht mit ihm übereinstimmte. Auf einem Treffen führender Industrieller mit Hitler versuchte er, den neuen Reichskanzler dazu zu bewegen, die Staatsausgaben auf den Stand vor 1900 (!) zurückzufahren. Eine groteske Fehleinschätzung der Regierungspolitik, die ja gerade dabei war, sich in Milliardenhöhe neu zu verschulden, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Krupp war auch nicht ohne Weiteres bereit, dem Reich erneut als „Rüstungsschmiede“ zu dienen. Gewiss wäre er für Marineaufträge an seine seit 1925 praktisch bankrotte Germaniawerft in Kiel dankbar gewesen. Diese kamen jedoch – wie alle anderen auch – erst 1935. Bis dahin flossen die Milliardenprogramme zur Arbeitsbeschaffung im Wesentlichen in zivile Kanäle, von denen die Kruppwerke vor allem profitierten. Der direkte Rüstungsanteil am Umsatz betrug nämlich 1935/36 nur 10 Prozent. Weitere 10 Prozent indirekter Rüstungsgüter, wie z.B. Motoren, kamen hinzu. Bis zum Ausbruch des Krieges gelang es Krupp, den zivilen Umsatz noch zu steigern, um nicht am Ende der Aufrüstung erneut – wie schon nach 1871 und 1918 – in der Sackgasse zu landen. Selbst im Krieg, als die Entscheidungen des Konzerns weitgehend von der Wehrmacht und dem Speerschen Rüstungsapparat bestimmt wurden, versuchte die Konzernleitung immer, die Nachkriegszeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Diese „konservative“ Grundhaltung trug dazu bei, dass 1944 die Bremer Großwerft Deschimag und das Breslauer Berthawerk vom Speerschen Apparat übernommen und ihre Leiter ins KZ eingeliefert wurden. Seit 1943 war Alfried Krupp in Essen sowieso ein „König ohne Land“, weil die meisten Betriebe ausgelagert waren und sich seiner Regie immer mehr entzogen.

Dies gilt auch für den Einsatz von Fremdarbeitern und KZ-Häftlingen. Um sein Auftragssoll zu erfüllen, brauchte Krupp vor allem Facharbeiter, keine Zwangsarbeiter. Kein Wunder, dass sich der Montankonzern 1944 mit Händen und Füßen gegen den Einsatz von 2000 weiblichen (!) KZ-Häftlingen wehrte. Vergeblich. Verantworten musste ihn Alfried Krupp vor seinen Nürnberger Richtern. Nach außen hin war Krupp eine Ikone des NS-Regimes und zog den Hass seiner Gegner auf sich. Dagegen war das Innenverhältnis bestimmt von Opportunismus, Anpassung und am Ende Ohnmacht.