Essen..
Der Mythos Krupp lebt bis heute fort, auch wegen der Fotografien, die das Unternehmen früh zur Dokumentation, zu Forschungs- und Werbe-Zwecken eingesetzt hat. Alfred Krupp war eben ein Visionär, der nicht nur an den Erfolg von Essener Gussstahl glaubte. Er hat auch die Macht der Bilder früh erkannt. Kein Unternehmen hat sich so früh und intensiv dem damals neuen Medium Fotografie zugewandt.
Eine der ältesten der gesammelten Aufnahmen, die die Ausstellung „Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten“ derzeit in der Villa Hügel präsentiert, stammt aus dem Jahre 1849. Es ist eine Daguerreotypie von Alfred Krupp, fast so alt wie die Fotografie selber.
Es ist ein wahrer Bilderschatz, den die Villa Hügel zum 200. Firmenjubiläum erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ausgestellt werden 400 Fotografien, ausgewählt aus sage und schreibe zwei Millionen Aufnahmen, die das Historische Archiv Krupp, 1905 als erstes Wirtschaftsarchiv in Deutschland gegründet, zusammengetragen hat. Die Sammlung ist weit mehr als das visuelle Firmengedächtnis. Sie illustriert Zeit- und Wirtschaftsgeschichte, sie dokumentiert aber auch Familien- und Fotografie-historie. Sie ist das Vermächtnis eines Mannes, der schon Mitte des 19. Jahrhunderts erkennt, dass die Marke Krupp ein Gesicht braucht.
Als Alfred Krupp 1861 seine „Photographische Anstalt“ in Essen gründet, steckt die Fotografie noch in den Kinderschuhen. Das Material ist teuer, die Belichtungszeiten lang, den Porträts sieht man die Anstrengung des minutenlangen Stillhaltens an. Aber Krupp investiert nicht nur in die Entwicklung des nahtlosen Schmiedens, er will auch die Fotografie nach vorne bringen. Hugo van Werden wird der erste Werksfotograf in der Industriegeschichte. Seine Dienstreisen führen ihn von Essen aus in die Welt, um die Expansion des Unternehmens festzuhalten. Sein Meisterstück aber wird eine gigantische, fast acht Meter große Gesamtansicht der Essener Gussstahlfabrik, die sich aus mehreren Segmenten zusammensetzt. Für das von Alfred Krupp beauftragte Prunkstück werden einige hundert Arbeiter sogar am Sonntag als Statisten aufs Werksgelände beordert, „weil die Werktage zu viel Rauch, Dampf und Unruhe mit sich führen“, wie der Firmenpatron ebenso perfektionistisch wie weitsichtig zu bedenken gibt.
Die Aufnahmen von Krupp gehen bald um die Welt wie die Waren, machen auf Weltausstellungen und Messen Werbung für die Produkte von der Ruhr. Es sind Bilder, die die Hitze des geschmolzenen Stahls, den Lärm der Dampfhämmer, die Qualität der Produkte, den Schweiß und die Anstrengung, aber auch den Stolz des arbeitenden „Kruppianers“ für den Betrachter spürbar machen sollen.
Denn zwischen den machtvoll inszenierten Stahlbrammen und Dampfturbinen, Geschützen und Schaufelradbaggern, Lokomotiven und Lastkraftwagen gerät der Mensch nicht aus dem Fokus von Firmenphilosophie und Fotografie. Die von Margarethe Krupp gestiftete Gartenstadt Margarethenhöhe wird zum Musterbeispiel des frühen sozialen Wohnens, ein bis heute gern gewähltes Fotomotiv. Und mancher inzwischen längst verrentete Kruppianer hat sich in der Ausstellung mit vergnügtem Erstaunen als junger Lehrling neben Firmenpatriarchen wie Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wiedergefunden.
Die privaten Aufnahmen der Familie Krupp sind der zweite, spannende Teil dieser in 15 Räumen nach Themenschwerpunkten gehängten Jubiläumsschau. Mit 8000 Aufnahmen haben die Familienbilder zwar nur einen kleinen Anteil am gesamten Unternehmensarchiv, aber sie geben überraschende und eindrucksvolle Einblicke in das Leben in der Villa Hügel, diesem illustren Wohn- und Repräsentationsort, wo der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der thailändische König Bhumibol im Laufe der Jahre ebenso zu Gast sind wie Adolf Hitler oder Golo Mann.
Nicht nur die Werksfotografen haben sich für die bewegte Geschichte der Firma Krupp interessiert. Die Ausstellung zeigt auch Aufnahmen von Fotostars wie Timm Rautert oder Erich Lessing, der das Krupp-Direktorium mit dem jungen Berthold Beitz 1955 in der filmreifen Kulisse des großen Hügel-Saals inszenierte.
Nicht alles blieb der Nachwelt erhalten. Einige der seit 1905 im Unternehmens-Archiv gehüteten Bilder gingen bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg verloren. Manches harrt bis heute der Restaurierung, Digitalisierung, Aufarbeitung. Allein der letzte persönliche Firmen-Inhaber Alfried Krupp von Bohlen und Halbach hat mit seiner Leica mehr als 30.000 Dias gemacht. Dem Mythos Krupp werden die Bilder so schnell nicht ausgehen.