Man schreibt das Jahr 1587, als ein niederländischer Zuwanderer namens Arndt Krupp erstmals im Verzeichnis der Kaufmannsgilde der ziemlich unbedeutenden kleinen Landstadt Essen auftaucht. Formell ist Essen ein reichsunmittelbares Stift, regiert von einer Äbtissin, doch will das im beginnenden Zeitalter absolutistischer Großstaaten nicht viel bedeuten. Die Krupps allerdings wissen ihre Chancen zu nutzen. In kurzer Zeit sind sie durch Wohlstand und Heirat in die städtische Oberschicht gelangt, immer wieder über zwei Jahrhunderte lang werden sie in ehrenamtliche Verwaltungsfunktionen gewählt. 1799 erwirbt Helene Amalie Krupp das zweitälteste Eisenwerk des später so genannten Ruhrgebiets, die Gutehoffnungshütte – es ist der erste Ausflug der Kaufmannsfamilie in das industrielle Metier.
Das ist die Ausgangslage, als sich 1811 der 24 Jahre alte Friedrich Krupp anschickt, dem Geheimnis des englischen Gussstahls auf die Spur zu kommen. Mit geerbtem und geliehenem Geld und einigen Erfahrungen in der Eisenhütte seiner Großmutter gründet Friedrich in der Essener Innenstadt eine kleine Stahlschmelze. Die ersten Fabrikgebäude entstehen „an der Walkmühle“ in Altenessen. Die Versuche sind nur bedingt von Erfolg gekrönt, aber heute ist sich die Forschung einig: Friedrich Krupp, der bereits 1826 starb, war zwar überoptimistisch und vertraute den falschen Partnern, aber er schuf die Keimzelle für einen noch heute bestehenden Weltkonzern.
Durchbruch mit wichtigen Erfindungen
Seinem erst 14-jährigen Sohn Alfred ist es vorbehalten, zum eigentlichen Architekten dieses Unternehmens zu werden. Münzstempel, Walzen und Werkzeuge sind seine ersten Produkte. Die Jahre nach 1850 brachten dann den Durchbruch mit zwei wichtigen Erfindungen: Der nahtlose Eisenbahnradreifen senkte mit einem Schlag die Unfallhäufigkeit dieses noch jungen Verkehrsmittels, die Kanone aus Gussstahl revolutionierte die Waffentechnik.
Alfred Krupps unternehmerischer Genius, sein Gespür vor allem für den Wert dessen, was später Öffentlichkeitsarbeit heißen wird, macht aus einer Firma schließlich einen Mythos. Als Mensch wenig gewinnend, oft schroff im Auftreten und auf einen rigiden Herr-im-Haus-Standpunkt pochend, setzt er andererseits Maßstäbe bei der sozialen Absicherung seiner Arbeiter. Mit einer zufriedenen Stammarbeiterschaft, so Alfred Krupps Kalkül, lassen sich die Qualitätsmaßstäbe halten und revolutionäre Umtriebe von der Fabrik fern halten. Mit dem Bau der Villa Hügel als Wohnsitz und Firmenrepräsentanz, setzt Alfred Krupp ein machtvolles Zeichen bürgerlichen Stolzes, das bis heute Bestand hat.
In vielen Unternehmenschroniken ist die dritte Eigentümer-Generation die Problematische. Nicht so bei den Krupps. Friedrich Alfred Krupp, der einzige Sohn, ist zwar aus weicherem Holz geschnitzt, hat aber eigene Talente, die das Unternehmen nach dem Tod von Alfred 1887 gut gebrauchen kann: Er sieht die Chancen des wissenschaftlichen Zeitalters klarer als sein Vater, und er nutzt die Möglichkeiten der guten Konjunktur des späten Kaiserreichs, um aus Krupp einen wirklichen Konzern mit Zweigbetrieben weit über Essen hinaus zu schmieden. Das Hüttenwerk in Duisburg-Rheinhausen ist seine bedeutendste Gründung. Friedrich Alfred Krupp stirbt 1902 erst 48-jährig unter Umständen, die in die Mediengeschichte eingegangen sind. Gerüchte über seine angebliche Homosexualität gelangen aus seinem Lieblingsdomizil, der Insel Capri, nach Deutschland und lösen einen Presseskandal aus, der seinen Tod zur Folge hat – ob durch eigene Hand oder aufgrund seiner seit jeher angeschlagenen Gesundheit, ist bis heute nicht völlig geklärt.
Die älteste Tochter Bertha Krupp ist zu diesem Zeitpunkt erst 16, doch dass eine Frau einen solchen Konzern leitet, wäre für die Zeitgenossen auch dann undenkbar, wenn Bertha bereits ein reiferes Alter besäße. So fügt es sich, dass die Alleinerbin bei einer Reise nach Rom 1906 den Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach kennenlernt und dieser nach der Heirat rasch in die Rolle des Firmenleiters hineinwächst. Dank einer Sondergenehmigung Kaiser Wilhelm II. darf der Ehegatte den Namen Krupp vor seinen eigenen stellen – ein Recht, das auf den jeweils erstgeborenen männlichen Nachfolger übergeht. Diese Regelung macht es möglich, dass Familie und Firma auch nach außen weiter als Einheit auftreten können, was für den Mythos, der um das Unternehmen gestrickt wird, nicht unbedeutend ist.
Gustav Krupp muss, was niemand ahnen konnte, das Unternehmen durch seine schwerste Periode führen. Bis 1914 erfreut sich Krupp einer beständigen Hochkonjunktur, der Erste Weltkrieg führt zu einer beispiellosen Ausweitung der Rüstungsproduktion, die Niederlage Deutschlands dann zum Beinahe-Zusammenbruch auch der Firma. Durch das Verbot der Siegermächte, Waffen zu produzieren, muss Krupp sich in der Weimarer Republik komplett neu erfinden, was nur unter Mühen und einem finanziellen Balanceakt gelingt. Durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs und der anschließenden Demontage verschonter Werksanlagen scheint das Schicksal Krupps nach 1945 besiegelt. Nicht Gustav allein, auch sein erstgeborener Sohn Alfried wird dieses Kapitel zu erleiden haben. Alfried Krupp wird die Lage gleichwohl meistern und einen neuen Anfang schaffen. Es ist die fünfte und letzte Krupp-Generation, die direkte Verantwortung für das Unternehmen trägt. Mit Alfrieds Sohn Arndt, der zu Gunsten der Gründung einer Stiftung auf sein Erbe verzichtete, stirbt die Familie in direkter Linie aus.
200 Jahre Krupp im Wandel der Zeit
1811: Der Anfang
1587 werden die Krupps in Essen das erste Mal erwähnt. Am 20. November 1811 gründet Friedrich Krupp in Essen eine Gussstahlfabrik.
1812: Die Zukunft
Alfred Krupp wird am 26.4.1812 geboren. Im selben Jahr werden der Schmelzbau und ein Hammerwerk an der Walkmühle in Altenessen errichtet.
1817: Die Qualität
Die Königliche Münze in Düsseldorf bestätigt die Qualität des Kruppschen Stahls. Krupp produziert Münzstempel, Walzen und Werkzeuge.
1835: Die erste Dampfmaschine
Alfred Krupp bestellt die erste Dampfmaschine für die Gussstahlfabrik.
1836: Die Krankenkasse
Auf freiwilliger Basis wird eine Kasse für Krankheits- und Sterbefälle gegründet.
1841: Die erste Auslandsvertretung
In Paris erhält die erste ständige Auslandsvertretung der Firma ihren Sitz.
1843: Das Besteck
Alfred Krupp entwickelt gemeinsam mit seinen Brüdern Hermann und Friedrich ein serienreifes Besteckwalzwerk.
1844: Die Goldmedaille
Auf der Berliner Gewerbeausstellung erhält Krupp für seine Produkte die Goldmedaille.
1846: Die Eisenbahn
Die Firma beginnt mit der Herstellung von Eisenbahnachsen und -federn. Den ersten Großauftrag erteilt 1849 die Köln-Mindener Eisenbahn: 2400 Trag- und 400 Stoßfedern.
1848: Die Revolution
Alfred Krupp wird Alleininhaber der Gussstahlfabrik. Während der Revolution von 1848/49 lässt er das Familiensilber einschmelzen.
1851: Die Weltausstellung
Auf der ersten Weltausstellung in London erhält Krupp die „Council Medal“, den höchsten Preis.
1853: Die Familie
Alfred Krupp heiratet Bertha Eichhoff aus Köln. Am 17. Februar 1854 wird Friedrich Alfred Krupp geboren.
1854: Das Patent
Alfred Krupp erhält ein amerikanisches Patent auf seine nahtlosen Eisenbahnradreifen. Der Schienenverkehr wird mit diesen Reifen sicherer und schneller.
1857: Die Mitarbeiter
Die Belegschaft des Unternehmens übersteigt erstmals die Marke von 1.000 Beschäftigten.
1859: Die Rüstungsproduktion
Beginn der Rüstungsproduktion in größerem Maßstab: 300 Geschützrohr-blöcke werden vom preußischen Kriegsministerium bestellt.
1861: Das Visuelle
In diesem Jahr wird die Fotoabteilung des Unternehmens gegründet. Große Werkspanoramen entstehen.
1861: Der Dampfhammer
Der von Alfred Krupp entworfene Dampfhammer „Fritz“ mit 1000 Zentnern Fallgewicht wird in Betrieb genommen.
1862: Der Stahl
Krupp baut das erste Bessemer-Stahlwerk auf dem Kontinent. Es ermöglicht Massenproduktion und Schienenherstellung.
1863: Die Siedlung
Die Werkssiedlung „Westend“ entsteht am südlichen Rand des Fabrikgeländes. Sie besteht aus 136 Wohneinheiten.
1868: Der Konsum
Der drei Jahre zuvor von Werksangehörigen gegründete Arbeiter-Konsumverein wird von der Firma übernommen und zur Konsumanstalt.
1869: Die Technologie
Der erste Siemens-Martin-Stahlofen in Deutschland wird auf der Gussstahlfabrik in Betrieb genommen.
1870: Das Krankenhaus
Die Kruppschen Krankenanstalten entstehen als Lazarett für Verwundete im deutsch-französischen Krieg.
1872: Das Grundgesetz
Das „Generalregulativ“ regelt Pflichten und Rechte der Mitarbeiter und legt Grundzüge der Geschäftsführung und der betrieblichen Sozialpolitik dar.
1872: Die Expansion
Die Steinkohlenzeche „Hannover“ in Bochum und die Johanneshütte in Duisburg werden erworben.
1873: Die Villa
1873 wird die Villa Hügel fertig gestellt. Das neue Domizil der Krupps hat 269 Zimmer.
1875: Die Marke
Drei übereinander gelegte nahtlose Eisenbahnradreifen werden vom Königlichen Kreisgericht in Essen als Wort/Bildmarke der Firma Krupp eingetragen.
1875: Die Frauen
Krupp gründet zwei Industrieschulen. Hier können Frauen und schulpflichtige Mädchen Handarbeiten für häusliche oder berufliche Zwecke lernen.
1883: Die Forschung
Mit der Errichtung eines zweiten Chemischen Laboratoriums durch Friedrich Alfred Krupp beginnt die wissenschaftlich orientierte Stahlforschung.
1886: Der Besuch
Der chinesische Vizekönig Li Hong-Zhang stattet dem deutschen Unternehmen einen Besuch ab.
1890: Die Stipendien
Gründung der Krupp-Stipendien-Stiftung. Die Stipendien werden für begabte Söhne der Mitarbeiter ausgelobt für eine bessere technische Ausbildung.
1892: Die Übernahme
Krupp übernimmt per Betriebsüberlassungsvertrag das Grusonwerk in Magdeburg.
1893: Die Erfindung
Rudolf Diesel, MAN und Krupp beschließen in einem Konsortialvertrag, Diesels Erfindung auszuwerten, um einen Dieselmotor zu entwickeln.
1896: Die Hütte
Für die neue Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen werden zunächst drei Hochöfen, ein Hafen, ein Wasserwerk und Werksbahnanlagen geplant.
1896: Die Werft
Krupp übernimmt am 19. August die Germaniawerft in Kiel.
1896: Der Kaiser
Kaiser Wilhelm II. besucht am 27. Oktober Krupp.
1899: Die Bücher
Die Kruppsche Bücherhalle wird eröffnet, und der Kruppsche Bildungsverein entsteht.
1902: Das U-Boot
Bau des ersten deutschen Versuchs-U-Bootes „Forelle“ auf der Kruppschen Germaniawerft.
1903: Die Aktiengesellschaft
Am 30. Juni wird die Firma Fried. Krupp in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bertha Krupp ist Eigentümerin.
1905: Die Geschichte
Im Juni wird die „Geschichtliche Abteilung“ als erstes Unternehmensarchiv Deutschlands gegründet.
1906: Die Hochzeit
Bertha Krupp heiratet den Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach.
1906: Die Margarethenhöhe
Aus Anlass der Heirat ihrer Tochter stiftet Margarethe Krupp Land und finanzielle Mittel zum Bau der Siedlung Margarethenhöhe.
1912: Das Patent
Die nichtrostenden säure- und hitzebeständigen Chrom-Nickel-Stähle aus den Krupp-Laboratorien werden patentiert („Nirosta“).
1912: Das Fest
Im August wird das 100-jährige Bestehen der Firma Krupp unter Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. gefeiert.
1914: Das Geschütz
Die „Dicke Berta“ kommt im Ersten Weltkrieg zum Einsatz.
1919: Die Lokomotive
Krupp entwickelt seine ersten Lastkraftwagen. Zugleich wird am 6. Dezember die erste in Essen gebaute Lokomotive ausgeliefert.
1926: Der Werkstoff
Unter dem Namen WIDIA bringt Krupp ein gesintertes Hartmetall auf den Markt, das sich als Werkstoff für Werkzeuge hervorragend eignet.
1928: Die Schmiedepresse
Krupp baut in Essen-Borbeck die damals größte Schmiedepresse der Welt mit 15.000 t Presskraft.
1939: Der Krieg
Krupp ist Teil der Kriegswirtschaft des NS-Regimes.
1940: Die Zerstörung
Beginn der Luftangriffe auf die Gussstahlfabrik. Am Ende sind über 30 % der Essener Werke zerstört.
1943: Die Firma
Die Fried. Krupp AG wird per Erlass Hitlers in eine Einzelfirma umgewandelt. Der Inhaber heißt nun Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.
1948: Das Urteil
Ein amerik. Militärgericht verurteilt Alfried Krupp u. a. wegen der Zwangsarbeiterbeschäftigung zu zwölf Jahren Haft und Vermögensbeschlagnahme.
1951: Die Freilassung
Der amerikanische Hochkommissar John McCloy begnadigt Alfried Krupp. Er wird am 3. Februar aus der Haft entlassen.
1953: Die Vollmacht
Berthold Beitz wird Generalbevollmächtigter von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.
1953: Die Ausstellung
In der Villa Hügel, die seit 1945 nicht mehr als Wohnsitz der Familie genutzt wird, wird die erste Kunstausstellung gezeigt.
1953: Der Vertrag
Die indische Regierung und die Firma Krupp unterzeichnen einen Vertrag über den Bau eines Hüttenwerks im indischen Rourkela.
1958: Der Osthandel
Krupp nimmt erstmals an der Posener Messe teil, Berthold Beitz reist auf Einladung des Ministerpräsidenten Mikojan in die Sowjetunion.
1960: Die Tauchkugel
J. Piccard und D. Walsh erreichen mit einer von Krupp hergestellten Tauchkugel als Erste den tiefsten Punkt des Meeres, ca. 11.000 m unter dem Meeresspiegel.
1961: Das Ausland
Das brasilianische Werk Krupp Metalúrgica Campo Limpo wird eingeweiht. Es stellt vor allem Kurbelwellen und Achsen für den Automobilbau her.
1963: Der Empfang
Der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow empfängt Berthold Beitz in Moskau.
1967: Die Umwandlung
Alfried Krupp gibt bekannt, die Firma in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln. Die Anteile sollen von einer gemeinnützigen Stiftung gehalten werden.
1968: Die Stiftung
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung nimmt ihre Arbeit auf.
1971: Das Radioteleskop
Das seinerzeit größte bewegliche Radioteleskop der Welt wird in Effelsberg in der Eifel in Betrieb genommen.
1972: Das Dach
Krupp Industrie- und Stahlbau errichtet das Dach des Olympiastadions in München.
1973: Die Begegnung
An der Spitze einer deutschen Wirtschaftsdelegation trifft Berthold Beitz den chinesischen Ministerpräsidenten Chou Enlai.
1976: Die Beteiligung
Der Staat Iran beteiligt sich mit 25,01 % am Stammkapital der Fried. Krupp GmbH. 2003 wird diese Beteiligung auf unter 5 % zurückgeführt.
1987: Der Protest
Die Stilllegung des Hüttenwerks in Rheinhausen wird beschlossen. Die Beschäftigten demonstrieren mit zahlreichen Aktionen.
1992: Die Mehrheit
Krupp erwirbt 1991 die Mehrheit an der Hoesch AG in Dortmund. Per Verschmelzung wird 1992 die Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp gegründet.
1999: Die Fusion
Die Thyssen AG und die Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp fusionieren zur ThyssenKrupp AG.
2010: Die Kunst
Eröffnung des von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanzierten Neubaus des Museum Folkwang in Essen.
2010: Das Quartier
Das ThyssenKrupp Quartier wird am 17. Juni in Essen eröffnet. Der Konzern verlegt seinen
Hauptsitz von Düsseldorf nach Essen.
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