Bei dem einen sind es die Aktenberge auf dem Schreibtisch, bei der anderen reicht schon die stehengelassene Kaffee-Tasse oder das wieder nicht aufgeräumte Zimmer vom Nachwuchs: Es sind nicht nur die großen, einschneidenden Lebens-Ereignisse, sondern vor allem auch die vielen kleinen Ärgernisse im Alltag, die bei uns Stress auslösen.
„Stress – das meint Belastung, Ärger, Sorgen und so weiter“, sagt der Essener Professor Dr. Ulrich J. Winter, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Und diese negativen Gefühle belasten Körper und Seele gleichermaßen. „Stress erhöht das Risiko für Herz- Kreislauf-Erkrankungen, für Allergien oder Krebs und vermindert so Lebensdauer und Lebensqualität“, erklärt Winter, der gestresste Menschen unter anderem auch in speziellen Seminaren betreut. Auch das zurecht gefürchtete Burnout- Syndrom geht auf den täglichen Stress zurück.
Umdenken, denn Stress ist vor allem eine Kopfsache
Während die negativen körperlichen Auswirkungen schon lange bekannt sind und in vielen Fällen mit Medikamenten behandelt werden können, so sind die Vorgänge, die sich vor der körperlichen Reaktion im Gehirn abspielen, erst seit einigen Jahren in den Blickpunkt der medizinischen Forschung, der so genannten Neuro-Biologie, gerückt. „Stress beginnt im Kopf“, erklärt Ulrich Winter. „Wer seine negativen Denkmuster nicht ändert, wird krank.“
Doch das ist gar nicht so einfach. Schließlich sind viele Denk- und Bewertungsmuster fest in unserem Unterbewusstsein hinterlegt. Und: Fast 90 Prozent aller Erinnerungen sind negativ. „Entscheidend ist, sich selbst darüber klar zu werden, dass man nicht immer perfekt sein muss, dass man nicht bei allen beliebt sein muss, dass eine schlechte Erfahrung bei ähnlichen Situationen nicht wieder eintreten muss, dass man lernen kann, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann, obwohl man es nicht gut findet“, so Winter.
Für jede Situation existieren mehrere Lösungen. Wichtigster Schritt: Man muss Stopp sagen oder denken, um die Lage, in der man sich befindet, nicht dauerhaft hinzunehmen. Danach lauten die Fragen: Was kann ich ändern? Was lerne ich über mich? Was lerne ich über andere? Wie kann eine Lösung aussehen?
Im Einklang: Besserer Umgang mit Belastungen und negativen Gefühlen
„Stress-Vorbeugung kann durch eine Veränderung ungünstiger Denk- und Verhaltensmuster geschehen, aber auch durch ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit, durch Sport und Bewegung, durch eine gesunde Ernährung, durch enge soziale Kontakte und gegebenenfalls auch durch natürliche oder pflanzliche Produkte.“
Und natürlich gibt es zahlreiche Entspannungstechniken, die zum Ziel führen können. Neben körperbezogenen Methoden wie dem Autogenen Training, der Progressiven Muskelrelaxation, Yoga oder Qi Gong, bieten sich auch kognitive oder mentale Anti-Stress- Maßnahmen an. Manchmal kann sogar beten, also Spiritualität, ein Schritt zur Stressminderung sein. „Ein speziell geschulter Stress-Spezialist kann bei der Suche nach der individuell passenden Lösung weiterhelfen“, rät Ulrich Winter. Auf jeden Fall aber haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass die Einbeziehung von Geist und Körper, von mehreren Methoden sowie ganzheitliche Ansätze die Erfolgs-Chancen bei der Stress- Beseitigung kurz- und mittelfristig deutlich erhöhen.