Essen. Man muss nicht ins Museum, um wahre Kunstschätze genießen zu können: Überall im Revier gibt es Werke von Weltrang, die mitten in der Natur zu finden sind. Wir haben fünf Beispiele für Kultur im öffentlichen Raum zusammengestellt.

So viele Bodenschätze hat das Revier – und so viele Sonnenstunden laden dazu ein, sie zu entdecken. An unseren hier vorgestellten Lieblingsorten der Kunst gehen Geschaffenes und natürlich Gewachsenes stimmungsvolle Symbiosen ein: fünf Beispiele aus einer kunsthaltigen Region. Die Kunstwerke im Park von Haus Weitmar im Bochumer Süden sind nicht immer leicht zu erkennen, manchmal fast zu gut sind die Arbeiten in die Landschaft aus Rasenflächen und alten Bäumen (die zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert stammen) integriert.

Unübersehbar großartig und tonnenschwer aber sind die „Ferro spezzato“-Skulpturen von Giuseppe Spagnulo: Unterschiedlich aufgebrochenes Eisen, in massiven Blöcken, aber zum Atemanhalten riskant auf Ecken gestellt. Der Park mit der Ruine der Sylvesterkapelle aus dem 14. Jahrhundert öffnet sich am Rand zu einer großen Wiese, auf der gern Fußball gespielt wird und auch Hunde herumtoben können. Einen Sommer-Nachmittag kann man hier im Wechsel aus Schatten und Sonne gut und gern verbringen – und wenn es regnet, bleibt immer noch der Besuch der „Situation Kunst“ in der Schlossruine: Kunst auch hier, zurzeit eine gut ausgewählte, klug arrangierte Ausstellung zum Motiv der Wunde in der Kunst. Und wer längere Strecken zurücklegen will, geht den Wanderweg bis Dahlhausen. (JD)

Beweglich in Essen

Sie bewegt sich seit über 60 Jahren keinen Millimeter – und doch ist sie voller Bewegung: „Die Tänzerin“. Den Blick anmutig gesenkt, die Arme erhoben, streckt sie grazil das rechte Bein vor. Die Menschen berühren sie gerne, ihre Bronze-Haut glänzt im Sonnenlicht. Bei ihr treffen sie sich, um im Essener Grugapark neben Blumen und Bäumen rund 40 Skulpturen zu bewundern, vom Großen Adam bis zum kleinen Reh. Walter E. Lemcke (1891 - 1955) hat die Tänzerin erschaffen. Ein Bildhauer, der nicht nur für anmutsvolle Werke steht. In der Nazizeit fertigte er gigantische Reichsadler an. Das kratzt am Antlitz der Tänzerin, die dadurch an Leichtigkeit verliert. Darf man Kunst mögen, wenn man die Gesinnung des Künstlers infrage stellt? Ein Grund mehr, sie sich genauer anzuschauen. (mar)

Sinnlich in Recklinghausen

Recklinghäuser, heute im Besitz einer Plastik von Weltrang, haben sich an ihre „große Liegende“ erst gewöhnen müssen. Unumstritten war die riesige Bronze vor Recklinghausens Ruhrfestspielhaus anfangs nicht: Als der Bergmannssohn Henry Moore 1965 eigens ins Vest reiste, um den präzisen Platz für seine Schöpfung auszugucken, schreckte viele die Abstraktion. Moores Skulptur, im Volksmund lange ein schweres Mädchen, war manchem ein Dorn im Auge. Heute ist die elementare, sinnliche Formensprache des englischen Bildhauers (1898-1986), für dessen Werk sich damals der Kunstkreis Junger Westen einsetzte, auch im Stadtgarten eine anerkannte Größe. Moores Klassiker der Moderne schenkt Betrachtern Ruhe. Wer es lebhafter mag: Nebenan wartet ein putziger kleiner Zoo mit Zebrafink, Esel und Zwergziege. (LvG)

Schwingend in Oberhausen

Das Verbindende (nicht Verbindliche!) des Ruhrgebiets, in dem alles mit allem zusammenhängt, findet in Tobias Rehbergers Oberhausener Brückenkunstwerk „Slinky Springs To Fame“ eine gut 400 Meter lange Entsprechung. Typische, böse Ruhrgebietsfrage: Auf- oder Abwärtsspirale?Kindern allerdings stellt sich diese Frage gar nicht, erinnern die 496 schwungvollen Kreise sie doch eher an Spiralfeder-Spiele (eben: „Slinky Springs“). Die Rehberger Brücke schlägt hoch über dem Rhein-Herne-Kanal einen Bogen zwischen den Radwegen der Emscherinsel und dem Kaisergarten: Im Park laden Tiergehege und Spielplätze und das Schloss-Café zu einem Tagesausflug – sowie, ein Tipp nicht nur an Regentagen, die Ludwig Galerie. Zurzeit präsentiert das Museum die Magnum-Fotografin Eve Arnold, ab September lockt eine große Comic-Schau. (hei)

Ruhig in Dortmund

Der Begriff grüne Oase trifft es hier mal genau. Inmitten der geschäftigen Dortmunder City entfaltet der Skulpturengarten am Ostwall eine fast unwirkliche Ruhe. Was auch damit zu tun hat, dass das angrenzende Ostwall-Museum keines mehr ist, sondern leer steht. Kunst gibt es trotzdem am Ostwall. Dass das Museum ein Tempel der Avantgarde war, setzt sich in der Grünanlage fort. Stahl ist das vorherrschende Material der hier versammelten Großplastiken. Und Ansgar Nierhoffs „Eisenplastik“ ist die eindrucksvollste und zugleich ungewöhnlichste Arbeit. Der Documenta-Künstler (1941 - 2010) aus Meschede zeigt, wie schwerelos der Werkstoff wirken kann. Drei Platten aus Chromnickeledelstahl, die wie Spielkarten aneinandergelehnt über einer Wasserfläche schweben: die Leichtigkeit des Scheins. (mko)