Duisburg. Expansion als Überlebensstrategie - die Duisburger Stadtwerke wollen mit einem günstigen Stromangebot bundesweit Kunden gewinnen. Das lässt sich das Unternehmen einiges kosten und steigt als Trikotsponsor beim MSV ein. Eine Investition, die Raum für Spekulationen und Rechenspiele schafft.
Der Schriftzug Rheinpower zierte am Wochenende das erste Mal die Brust der Bundesligaspieler des MSV Duisburg. Für den Verein, welcher wochenlang händeringend einen Sponsor gesucht hatte, ist das eine erfreuliche Lösung. Für die Duisburger Stadtwerke ist das Engagement erst der Anfang. Mit dem MSV wollen sie ihr neues Strom-Produkt Rheinpower bundesweit an den Mann bringen. Das lassen sich die Stadtwerke Schätzungen zufolge bis Saisonende eine Million Euro kosten. Damit sich das Sponsoring auch wirtschaftlich lohnt, müssten allerdings eine ganze Menge Stromkunden neu hinzugewonnen werden.
Engagement sei ein Skandal
Hart umkämpfter Strommarkt in Deutschland
Die Liberalisierung des deutschen Strommarktes ist bereits sehr fortgeschritten.
Der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt ist der härteste in Europa. Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat Deutschland mit 1100 Stromunternehmen eine Vielfalt, die auf dem europäischen Markt ihresgleichen sucht. Das gelte auch für den Erzeugermarkt, auf dem rund 450 Unternehmen in Deutschland aktiv sind. Dadurch sei laut BEDW die Marktkonzentration eine der geringsten in Europa und die Liberalisierung sehr fortgeschritten. Der größte Stromerzeuger in Deutschland habe einen Marktanteil von 28 Prozent. In Belgien besitze der Marktführer 82 Prozent, in Frankreich sind es 75 Prozent. (ik)
Deshalb gibt es in Duisburg auch kritische Stimmen zum Sponsoring. Ersin Erdal von der SPD Rheinhausen bezeichnet das Engagement in einem Gespräch mit Radio Duisburg als einen Skandal: Er wirft den Stadtwerken vor, dass die Duisburger Stromkunden nun den MSV mitfinanzieren würden. Dabei fragt er sich, wie die Stadtspitze es zulassen könne, dass ein kommunales Unternehmen bei klammer Stadtkasse hier so viel Geld investiere.
Dazu hält mancher Duisburger den Zeitpunkt und die Laufzeit des Vertragsabschlusses für diskussionswürdig. Das späte Einspringen auf die verwaiste Brust des MSV könne auch als kurzfristiger Gefallen ausgelegt werden - schließlich haben sich die Partner bisher nur auf eine Laufzeit von einem Jahr geeinigt. „Für uns ist das Sponsoring die Fortsetzung eines seit vielen Jahren bestehenden Engagements“, so Stadtwerke-Pressesprecher Helmut Schoofs, „wir wollen uns im Frühjahr zusammensetzen und über die Zukunft reden“. Schließlich würden bei einem Aufstieg noch ganz andere, höhere Summen ins Gespräch kommen.
Fernsehpräsenz des MSV als Multiplikator
Mit der Trikotwerbung setzen die Stadtwerke voll auf die Fernsehpräsenz des MSV. „Hätten wir uns für ein klassisches Medium wie Fernsehwerbung entschieden, müssten wir ein Vielfaches mehr investieren“, erklärt der Unternehmenssprecher. Das Sponsoring eines Fußballvereins kann aber auch zum schmalen Grat werden. „Wenn es Probleme in der Verwaltung der Kunden gibt, wird schnell der Vorwurf laut, man solle das Geld lieber in die Strukturen als in teure Werbung stecken“, erläutert Dagmar Ginzel, Leiterin der Unternehmenskommunikation beim unabhängigen Verbraucherportal verivox.
So habe der Billiganbieter TelDaFax – Trikotsponsor bei Bayer Leverkusen - in der Vergangenheit gehörig Gegenwind bekommen, als es Probleme mit der Kundenabwicklung gab. Trotzdem sei das Sponsoring im Fußballbereich keine schlechte Idee, findet Dagmar Ginzel: „Beim Stromwechsel sind zwei Drittel der Männer für die Entscheidung verantwortlich“ – und die erreiche man gut in den Fußballstadien.
Fünf Prozent plus X
Ziel von Rheinpower ist, ab dem 1. Oktober auf dem Duisburger Stadtgebiet verlorene Kunden bundesweit wieder hinzuzugewinnen. So rutschte der Marktanteil in Duisburg nach der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 zwischenzeitlich auf 90 Prozent ab – aktuell liege man bei 95 Prozent, so die Angaben der Stadtwerke. „Natürlich wären wir auch nicht traurig, wenn es noch mehr werden würden“, sagt Schoofs. Zahlreiche Stadtwerke in Deutschland versuchen bereits mit bundesweiten Angeboten Marktanteile zu gewinnen.
Große Wechselbereitschaft unter Stromversorgern
19 Prozent der Privatkunden haben in den vergangenen zwei Jahren ihren Stromversorger gewechselt.
Auf dem deutschen Strommarkt herrscht eine hohe Wechselbereitschaft. In den letzten zwei Jahren haben 19 Prozent der deutschen Privatkunden ihren Stromversorger gewechselt. Das hat eine aktuelle Untersuchung der TNS Infratest Energiemarktforschung unter 1000 Privatkunden ergeben. Grund für den Wechsel ist in der Regel die Hoffnung auf Geldersparnis – besonders hohes Interesse gibt es an individuell auf den Kunden zugeschnittenen Tarifen. Die größten Wechselströme sind von den großen überregionalen Anbietern hin zu kleineren überregionalen Stromversorgern und Naturstromanbietern zu beobachten. Ihre Trümpfe sind Billigpreisangebote und Ökostrom-Tarife. (ik)
Das Wechselpotenzial unter den deutschen Stromkunden ist vorhanden. Seit der Liberalisierung des Marktes haben 60 Prozent der Privathaushalte aktiv einen neuen Stromtarif oder einen neuen Stromversorger gewählt, teilt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit. 41 Prozent haben einen neuen Vertrag mit ihrem alten Lieferanten abgeschlossen und 19 Prozent haben sich für einen neuen Stromversorger entschieden.
Aktuell liegt der Duisburger Energieversorger laut verivox mit seinem Grundversorgungsangebot (945 Euro für eine Familie mit einem Verbrauch von jährlich 4000 kwh) leicht über dem deutschen Durchschnitt. „Um an die günstigsten Anbieter in Duisburg heranzukommen, müsste sich Rheinpower ganz schön anstrengen – aktuell sind das 589 Euro bei Vorkasse“, vergleicht Dagmar Ginzel.
Einfacher Vertriebsweg übers Internet
Rund 80 Prozent der Wechsel des Stromanbieters geschehen über das Internet. Über Strompreisvergleiche können sich Kunden hier nach günstigen Anbietern umsehen. Deshalb setzen die Duisburger Stadtwerke auf einen guten Auftritt im Netz. Den Begriff Billigstrom hören sie allerdings gar nicht gerne. „Der Unterschied zu unseren anderen Produkten liegt im einfachen Vertriebsweg übers Internet – hier fallen dann allerdings Dienstleistungen wie der mögliche Besuch eines Energieberaters weg.“ Die Zielgruppe liege zwischen 14 und 35 Jahren. „Das ist die Klientel, die sich auch künftig ihre Informationen aus dem Internet besorgt“, so Schoofs.
Für die Stadtwerke sei der Schritt zu einem bundesweiten Angebot eine wichtige strategische Ausrichtung, um auf dem hart umkämpften Strommarkt überlebensfähig zu sein. „Wir können so lange ehrfürchtig vor der Schlange erstarren, bis wir aufgefressen werden“. Die Neugewinnung von Kunden sei zum Erhalt des Unternehmens unabdingbar. „Wenn unsere Kundenzahlen sinken würden, bräuchten wir irgendwann nicht mehr die aktuelle Zahl an Mitarbeitern in der Verwaltung. Dann würden auch Arbeitsplätze wegfallen“, erklärt der Unternehmenssprecher. Deshalb sei Angriff die beste Verteidigung. „Unser Ziel ist Expansion.“