Essen. Seit das Oktoberfest bundesweit gefeiert wird, machen die Textilriesen die Bayerntracht zur Massenware. Im Süden der Republik, der Wiege der Trachten, belächelt man die Modeerscheinung eher als das man echte Konkurrenz fürchtet.

Oktoberfest, das bedeutet Weißbier, Brezel, Dirndl, Lederhose und München. München? Längst kommt das Volksfest auch ohne die bayerische Landeshauptstadt aus und feiert seinen Siegeszug durch ganz Deutschland. Mit dabei: die Trachtenmode. Die gibt es sowohl in Düsseldorf für bis zu 800 Euro wie auch in Herne für unter 50 Euro. Große Modeketten wie C&A und seit neuestem der Textildiscounter Kik haben die bajuwarische Festtracht als Massenware erkannt – und verkaufen sie zu Kampfpreisen. In Bayern freilich rümpft der Trachten-Fachhandel die Nase über die Discount-Dirndl.

Rehan Mohammed ist das wurscht. Er leitet mitten im Ruhrgebiet die „Alpin Trachten“, verkauft Trachtenhosen, Trachtenhemden, Trachtenhüte, Trachtentücher – und natürlich Dirndl. Übers Internet und neuerdings sogar ab Lager. Auch er bewegt sich im Kampfpreis-Segment. Die neue Discount-Konkurrenz empfindet er als positiv: „Durch die ganze Werbung wird die Trachtenmode noch bekannter. Deswegen kommen die Kunden dann auch zu mir.“

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Eigentlich war „Alpin Trachten“ nur ein Lederwaren-Shop – dann fragte eine Kundin vor drei Jahren nach bayerischer Volksfest-Mode und Mohammed begann sein Geschäft umzustellen. Er produziert, je nach Preis, in China, Indien und Pakistan. Die Modelle entwirft er selbst. Und: „Es läuft gut. Die Nachfrage ist, auch im Ruhrgebiet, groß.“

„Wir reden hier von Pseudo-Dirndln“

Dies bestätigt Tanja Croonen, Sprecherin des Mode-Verbandes German Fashion: „Die breite Masse benötigt mittlerweile Dirndl und mehr.“ Grund sei die Oktoberfestwelle, die über Deutschland schwappt. „Selbst im Norden wird bayerisch gefeiert“, erklärt Croonen: „Und bei einem Oktoberfest außerhalb Münchens kommt es den meisten Besuchern vermutlich nicht darauf an, traditionell verarbeitete Trachten zu tragen. Da entscheidet eher der Preis.“

Die Erfahrung macht auch der Moderiese C&A. „Wir bieten schon seit den 80er Jahren Trachten an“, sagt Sprecher Lars Boelke: „Aber in den letzten fünf Jahren ist der Verkauf durch die Decke gegangen.“ Gerade die jüngere Generation – zwischen 20 und 30 Jahren – trage Dirndl und Lederhosen. „Sie wollen Party machen und nicht so viel Geld ausgeben.“ Während des Oktoberfestes verkaufe C&A jeden Tag allein im Raum München etwa 10.000 Trachten-Teile.

Auch Kik ist bislang mit den Verkaufszahlen zufrieden. 2012 ist der Discounter auf den Oktoberfest-Zug aufgesprungen. „Der Grund ist, dass das Volksfest nicht mehr nur in Bayern beliebt ist“, sagt Olga Bakanow von Kik. Die Artikel werden in rund 600 Filialen in Bayern, Baden Württemberg und NRW angeboten. Die Preise für Lederhosen und Dirndl beginnen bei 39,99 Euro.

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Kik ist zufrieden

Dafür bekommt man im Fachgeschäft vielleicht ein paar Kniestrümpfe. Im 5Seasons in Düsseldorf etwa spielt der Preis nicht die größte Rolle. Hier hängen handbestickte Dirndl, manche mit Swarovski-Steinen verziert. Die Preise beginnen bei 129 und enden bei 800 Euro. „Unsere Zielgruppe ist natürlich eine andere als die von Kik“, sagt Geschäftsführer Sascha Dressel. Erst seit Anfang August verkauft er die bayerische Mode. „Mit den ersten vier Wochen sind wir sehr zufrieden“, sagt Dressel: „Ich sage immer: Tracht goes north.“ Er glaubt an einen weiter wachsenden Markt außerhalb Bayerns: „Denn auch die Kleider werden immer hipper.“

Und was hält man im Süden vom Rummel um die eigene Kleidung? „Das ist nur eine Modeerscheinung“, sagt Klaus Lindner, Geschäftsführer des bayerischen Textilverbandes: „Wir reden hier von Pseudo-Dirndln und Pseudo-Lederhosen aus China.“ Mit den Original-Trachten habe das wenig zu tun. „Es ist ein Qualitätsunterschied, für den man einen ganz anderen Preis bezahlt.“ Deswegen glaubt Lindner auch nicht, dass die Moderiesen bayerischen Unternehmen, die traditionelle Trachten herstellen, Probleme bereiten: „Die Zielgruppe ist eine ganz andere. Hier will sich ja keiner nur als Bayer verkleiden.“