Berlin. Das ZDF hält an der seiner Entscheidung fest, sein Publikum nur drei Tage vor der Bundestagswahl noch mit Umfrageergebnissen zu versorgen. Ein Parteienforscher geht noch weiter und fordert, selbst am Tag vor der Abstimmung aktuelle Werte zu veröffentlichen.

ARD und das ZDF gehen beim Veröffentlichen der Umfragen kurz vor der Bundestagswahl getrennte Wege. Während das "Erste" seine Ergebnisse letztmals zehn Tage vor dem Wahltermin verbreiten will, wird das ZDF sein "Politbarometer" diesmal noch drei Tage vor der Abstimmung - also am 19. September - veröffentlichen, wie Chefredakteur Peter Frey am Montag in Berlin unterstrich.

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ZDF-Intendant Thomas Bellut hatte die Änderung erstmals im Mai vor dem Fernsehrat angekündigt. Eine Sprecherin des innerhalb der ARD zuständigen Westdeutschen Rundfunks (WDR) teilte dagegen mit: "Den letzten "DeutschlandTrend" mit der Sonntagsfrage wird die ARD am 12. September veröffentlichen" - also zehn Tage vor der Wahl.

WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn hatte in einem Interview mit der Zeitschrift "Cicero" gesagt, eine kurzfristige Veröffentlichung vor dem Ereignis könne einen "Kreislauf zwischen taktischen Wahlentscheidungen und neuer Entscheidungsgrundlage durch Umfragen in Gang setzen, der aus meiner Sicht dem demokratischen System nicht förderlich ist"

Als Grund für die ZDF-Entscheidung gab Frey an, dass der Bürger immer kurzfristiger seine Wahl-Entscheidung treffe und der Sender sein von der Forschungsgruppe Wahlen gewonnenes Wissen nicht dem Publikum vorenthalten wolle. ZDF-Politikchef Theo Koll erläuterte diesen Schritt mit dem Beispiel der Niedersachsen-Wahl im Januar: Die letzten veröffentlichten Umfrage-Ergebnisse taxierten die FDP bei vier bis fünf Prozent, dann habe sie auf 9,9 Prozent zugelegt - von dieser Aufwärtsbewegung habe niemand etwas mitbekommen.

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Parteienforscher Jürgen W. Falter sprach sich dafür aus, sogar noch einen Tag vor der Bundestagswahl aktuelle Umfragewerte zu veröffentlichen. "Wenn man eine Woche vor der Wahl nichts mehr sagt, ist das ja auch eine Wählerbeeinflussung", sagte er in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). Der Parteienforscher erklärte, bis ein, zwei Wochen vor der Wahl seien rund 30 Prozent der Wähler nicht definitiv festgelegt. Zehn Prozent würden sich erst am Wahltag endgültig entscheiden. "Da sind alle möglichen Überraschungen denkbar", erklärte Falter.

In Deutschland gibt es zwar nicht wie in anderen Ländern ein Verbot der Veröffentlichung von Umfrage-Ergebnissen kurz vor Wahlen, doch hatten sich ARD und ZDF bislang darauf beschränkt, die Werte in der Woche vor dem Stichtag nicht mehr zu publizieren.

Insgesamt will das ZDF zusätzlich zur Regelberichterstattung 23 Stunden an Reportagen, Dokumentationen und Talks zur Wahl bieten. Koll wird am 15. August und 12. September zwei Runden der Sendung "Die Debatte" live aus Berlin moderieren. Maybrit Illner wird vom 27. bis 30. August fünf Mal (am 29.8. gibt es eine Doppelfolge) in "Illner intensiv" über Politthemen diskutieren lassen, und Marietta Slomka und Mitri Sirin fragen am 3. und 4. September: "Wie geht's, Deutschland?". Sie haben Menschen in ganz Deutschland besucht und deren Lebensqualität analysiert. (dpa)