Haldern. . Veronika Bauke freut sich Jahr für Jahr auf das Haldern Pop Festival. Der NRZ hat die 69-jährige Haldernerin erzählt, warum Festival-Macher Stefan Reichmann ihr jedes Jahr eine Eintrittskarte schenkt.

Was wäre aus dem Haldern Pop geworden, gäbe es Veronika Bauke nicht? Eines steht fest: Hätte die Halderner Geschäftsfrau sich vor 30 Jahren nicht so kulant gegenüber den Machern des Musikfestivals gezeigt, wäre zumindest der Beginn dieser Erfolgsgeschichte ins Stocken geraten. Das weiß auch Haldern Pop-Chef Stefan Reichmann. Daher spendiert er der heute 69-Jährigen Jahr für Jahr eine Eintrittskarte. Nun könnte man meinen, dass Veronika Bauke das Ticket einem jungen Menschen aus der Familie oder der Nachbarschaft zusteckt. Keineswegs: Die Rentnerin lässt sich kein Festival entgehen. „Die Musik gefällt mir“, erklärt sie und lacht. Einen Favoriten hat sie auch: den als „Godfather of Britpop“ bezeichneten Paul Weller.

Eine CD mit seiner Musik besitzt sie nicht. „Brauch ich auch nicht“, sagt die Haldernerin. Ihre Tochter Vanessa, 22 Jahre jung, hat die Tonträger und da kann Mutter Bauke reinhören, wann immer sie mag.

Made Reichmann bedrückt

Veronika Bauke kann sich noch gut erinnern an den Tag vor 30 Jahren, als ein paar Jugendliche ziemlich bedrückt vor ihr in ihrem kleinen Getränkemarkt Im Plentenhof stehen. „Made Reichmann, wie wir Stefan immer nannten, war dabei, Kurt Awater, Udo Heister und andere“, weiß sie noch. Die jungen Leute, allesamt Messdiener, haben kein Geld, wollen aber Getränke für einen Musikabend besorgen. „Eine richtige Saalsause sollte es werden“, erinnert sich Veronika Bauke. Die Macher dieses Abends, die sich nun „raum 3“ nennen, machen Geschäftsfrau Bauke einen konkreten Vorschlag. „Können wir nicht später zahlen?“, fragen sie. Was nicht verzehrt wird, wollen sie zurückgeben. „Ware auf Kommission herauszugeben, war damals ganz unüblich“, sagt Veronika Bauke. Sie vertraut den Jugendlichen, überlässt ihnen eine halbe Palette König, eine halbe Palette Alt, eine halb Cola, halb Fanta und zehn Kästen Wasser. „Ich sehe noch, wie sie das auf einen alten Traktor mit Heupritsche laden und davonfahren“, sagt sie. Ware im Wert von gut 200 D-Mark hat sie ihnen überlassen. Sie hat das nie bereut. Ein paar Tage später stehen die Jugendlichen in ihrem Laden, haben leere und volle Flaschen ordentlich sortiert, zahlen die Zeche.

Drei Jahre lang geht das so, dann wird der Jugendheim-Saal zu klein für das Festival und die Macher bauen auf dem Reitplatz bei Schweckhorst erstmal eine Bühne auf – aus Europaletten. „Ich freue mich jedes Jahr, wenn ich sehe, wie sich die ersten Besucher einfinden, die Zelte aufbauen“, sagt Veronika Bauke. Es ist zwar optisch kein Platz in der ersten Reihe, den sie von ihrer Terrasse am Kämperdick genießt, aber akustisch sehr wohl. „Von hier aus kann ich die Musik wunderbar genießen“, sagt sie. Und weil das in der Gruppe noch mehr Spaß macht, lädt sie sich Jahr für Jahr Leute ein. Gemeinsam wird auf der Terrasse Kaffee getrunken, leckere Torte verputzt, der Musik gelauscht. Gegen 22 Uhr bricht sie dann mit den Gästen auf, um dem Haldern Pop noch näher zu sein. „Meist sitze ich unter den Bäumen am Eingang“, sagt sie.

Dort könnte sie gesessen haben, als sie vor Jahren von einem jungen Ehepaar angesprochen wird. „Wir alt sind Sie eigentlich?“, wird sie gefragt. Damals ist sie schon über 60 Jahre alt. „Ich finde toll, dass sie hier sind, meine Mutter würde nie zu so einem Festival gehen“, kommentiert der junge Mann anerkennend.

„Ich finde einfach großartig, was die jungen Leute hier auf die Beine gestellt haben“, sagt Veronika Bauke. Das alles habe sich zu einem richtigen Familienfest entwickelt, findet sie gut. Tochter Vanessa pflichtet ihr bei:„Die Besucher strömen ins Dorf, sprechen einen an, die meisten grüßen auch noch.“

Im Jahre 2006, als es in Strömen regnete und das Haldern Pop seine schlimmste Schlammschlacht erlebt, bleibt Vanessa, die seit acht Jahren als Helferin fungiert, mit einem Stiefel im Schlamm stecken. Derweil klingelt es an der Haustür ihrer Mutter. Die öffnet. Vor ihr stehen zwei durchgefrorene junge Frauen aus Heidelberg. Sie bitten darum, duschen zu dürfen. Veronika Bauke lässt sie gewähren, kocht ihnen später auch noch einen heißen Kakao. Ein Jahr später wird sie vor dem Einkaufsmarkt Schapfeld angesprochen. „Hallo, kennen Sie uns noch?“, wird sie gefragt. Als sich die beiden Heidelbergerinnen vorstellen, kann sich „Mutter Bauke“, wie Feti Werdelmann sie einst genannt hat, sofort wieder erinnern.