Schwerte/ hagen. Die Urteile sind gesprochen: Das Hagener Schwurgericht hat am Montag einen Onkel der 2008 ermordeten Libanesin Iptehal A. aus Schwerte zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Prozess endete mit einer Massenschlägerei im Gerichtssaal.

Iptehals Bruder erhielt ebenfalls wegen Mordes eine Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren. Aufatmen durften dagegen die beiden übrigen Angeklagten. Die Mutter der ermordeten Libanesin wurde lediglich wegen Falschaussage bestraft - 1500 Euro Geldstrafe. Ein weiterer Onkel wurde sogar komplett freigesprochen.

Stühle geworfen

Nach der Urteilsverkündung kam es zu Tumulten im Gericht: Männer warfen mit Stühlen und Schuhen, Frauen mit Kopftüchern spuckten sich an und brüllten Verwünschungen in arabischer Sprache: Mit einer Massenschlägerei ist gestern am Hagener Schwurgericht der Prozess um den "Ehrenmord" an der 20-jährigen Libanesin Iptehal A. aus Schwerte zu Ende gegangen.

Selbst der kurz zuvor zu lebenslanger Haft verurteilte Onkel des Opfers mischte bei der Auseinandersetzung kräftig mit. Ein Angehöriger musste den Mann an beiden Armen festhalten und ihm immer wieder zurufen: "Hör auf! Hör auf!" Erst dann hatten mehrere Wachtmeister die völlig konfuse Lage unter Kontrolle gebracht.

Leichenfund 2008

Fünf Jahre hat der Fall die Justiz in Atem gehalten. Nachdem die Leiche der jungen Libanesin am 31. August 2008 auf dem Parkplatz Sterbecker Siepen an der Autobahn 45 bei Lüdenscheid gefunden worden war, hatte die Polizei lange und ausführlich in alle Richtung ermittelt. Schnell wurde dabei klar, dass der Mörder wohl innerhalb der eigenen Familie des Opfers zu suchen war.

"Übersteigertes Ehrgefühl"

Wen auch immer die Beamten fragten, der antwortete damals: "Iptehals Lebensweise hat die Familie gestört." Genau davon gehen die Richter jetzt auch tatsächlich aus. Die lebensfrohe, offene und hübsche Frau musste sterben, weil ihre Angehörigen von einem "übersteigerten Ehrgefühl" besessen waren.

In Iptehals Großfamilie wurde es abgelehnt, wenn Frauen Berufswünsche hegten, eigene Wohnungen beziehen wollten oder gar mit Männern ausgingen. Iptehal jedoch wollte aus diesem Korsett ausbrechen. Sie flüchtete ins Frauenhaus, mietete eine eigene Wohnung - und schaffte trotzdem nicht den Absprung.

Zu Treffen gelockt

Am Abend vor der Tat wurde die 20-Jährige von ihrem Bruder ins Elternhaus nach Schwerte gelockt. Angeblich wollte man zu einem Familientreffen fahren. Stattdessen jedoch wurde Iptehal verschleppt und zum Parkplatz Sterbecker Siepen gefahren. Wer genau zuvor den Plan gefasst hatte, dass die Libanesin sterben müsse, um die Familienehre wieder herzustellen, musste am Ende des Prozesses offen bleiben.

Fest steht aber, dass dies das Motiv war. Die ursprünglich wegen Mittäterschaft angeklagte Mutter des Opfers konnte lediglich wegen Falschaussage verurteilt werden. In einem ersten Prozess gegen Iptehals Cousin hatte sie behauptet, sie habe ihre Tochter nie beleidigt. Dass die Mutter jedoch von den Mordplänen wusste, konnten die Richter nicht feststellen. "Es war auch nicht sie, die ihre Tochter vor der Tat nach Hause lockte, sondern ihr Bruder", sagte die Vorsitzende Richterin.