Werdohl/Düsseldorf. .

Der 72-jährige Milliardär Heinz Herrmann Thiele (Knorr-Bremse AG) ist äußerst knapp mit 51,48 Prozent der stimmberechtigten Anteilseigner der Vossloh AG in den Aufsichtsrat gewählt worden. Während der fünfstündigen Hauptversammlung am Mittwoch in Düsseldorf kam es zu einem unmittelbaren Machtkampf zwischen Thiele und den Anteilseignern der Vossloh-Familie, vertreten durch Anne Traub. Die eigentlich vorgesehene konstituierende Sitzung des komplett neu gewählten Aufsichtsrates gab es nicht. Die Vossloh AG hat derzeit keinen Aufsichtsratsvorsitzenden.

Der ehemalige Werdohler Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Klein, der am Mittwoch aus dem Aufsichtsrat verabschiedet und mit 98,29 Prozent der Stimmen entlastet wurde, sprach von einer absolut außergewöhnlichen Hauptversammlung. Erstmals überhaupt gab es den Antrag an die Hauptversammlung, dass einzeln über die Entlastung der ausscheidenden Aufsichtsratsmitglieder abgestimmt werden sollte. Hier schrammte der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Dr.-Ing. Wilfried Kaiser ganz knapp an einer Art Misstrauenserklärung vorbei. Lediglich 50,95 Prozent der stimmberechtigten Anteilseigner entlasteten den 72-jährigen Techniker.

Komplizierte Machtverhältnisse

Auch Peter Langenbach, Vertreter der Vossloh-Familie im Aufsichtsrat und bislang stellvertretender Vorsitzender, wurde nur mit 59,86 Prozent der Stimmen entlastet. Der Rechtsanwalt Langenbach war später von den Familien-Anteilseignern als Gegenkandidat für Heinz Herrmann Thiele ins Spiel gebracht worden. Das zeigt, wie kompliziert die Machtverhältnisse bei Vossloh momentan sind.

Eine Auseinandersetzung leisteten sich die Großaktionäre: Die Familiengemeinschaft Vossloh GbR, vertreten gestern durch Vossloh-Urenkelin Anne Traub, hält nach eigenen Angaben 31,77 Prozent der Stimmrechte der Gesellschaft. Heinz Herrmann Thiele hatte im Oktober 2012 erklärt, er halte 25,14 Prozent der Stimmrechte an der Vossloh AG.

Der scheidende Vorstand hatte vier neue Aufsichtsratsmitglieder vorgeschlagen: Dr.-Ing. Kay Mayland von der SMS Siemag AG, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Scholl, Dr. Alexander Selent von Fuchs Petrolub und eben Heinz Hermann Thiele.

Anleger-Vertreter äußern sich kritisch

In jeder Hinsicht kritische Fragen stellte Jelia Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Sie vertritt die Mandate der Minderheiten-Anteilseigner von Vossloh. Sie brachte es auf den Punkt: „Herr Thiele, was wollen Sie von Vossloh?“ Thiele halte eine Sperrminorität und habe erklärt, dass er noch mehr zukaufen wolle. Vom scheidenden Aufsichtsrat wollte sie wissen, ob und vor allem wie die Weichen für den zukünftigen Vorstand gestellt seien.

Vorstandssprecher Andree verlässt im nächsten Jahr aus Altersgründen das Unternehmen. Benner-Heinacher: „Herr Thiele, haben Sie schon einen neuen Vorstandsvorsitzenden mitgebracht?“

Refinanzierungskosten in Millionenhöhe?

Die Kritik an Thiele gipfelte schließlich im Antrag von Vossloh-Enkelin Traub. Vor der Hauptversammlung habe es ein Treffen mit ihr, Thiele und dem Aufsichtsrats-Kandidaten Dr. Wolfgang Scholl gegeben. Vorgeschlagen worden sei, dass keiner der Vertreter der beiden Großaktionäre den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehme. Das habe Thiele abgelehnt, so Traub. „Wir werden Thiele nicht wählen, wenn er nicht vorher auf den Vorsitz verzichtet.“ Thiele als Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender der Knorr Bremsen AG habe einen Interessenkonflikt. Für den Fall, dass Thiele Aufsichtsratsvorsitzender werde und es damit zu einem Kontrollwechsel (change of control) bei Vossloh käme, entstünden Refinanzierungskosten von mehreren hundert Millionen Euro, so Traub. Thiele verfolge mit Vossloh eigene wirtschaftliche Ziele.

Auch Stefan ten Doornkaat von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sparte nicht mit Kritik: Es spreche nicht für die vielbeschworene Kontinuität bei Vossloh, wenn dort der komplette Aufsichtsrat ausgetauscht werde. Die Kandidaten seien doch nicht „vom Baum gefallen“. Doornkaat: „Gibt es Absprachen zwischen den Großaktionären?“