Werdohl.

Die Bezirksregierung will den Haushaltssanierungsplan für das laufende Jahr 2013 nicht genehmigt, es ist rein rechnerisch eine Finanzierungslücke bis 2018 von zwei Millionen Euro entstanden. Um diese Lücke „perspektivisch“ zu schließen, soll die Politik am heutigen Montag eine vorsorgliche Anhebung der Grundsteuer B um 300 Prozentpunkte auf dann 968 Prozentpunkte beschließen. Dem Vernehmen nach werden alle vier Ratsfraktionen diesen Beschlussvorschlag ablehnen.

Nach dem Wunsch von Bürgermeister Siegfried Griebsch sollte diese Ratsvorlage erst am Montagabend während der Hauptausschusssitzung den Bürgern bekannt gemacht werden. Griebsch hatte vergangene Woche Donnerstag in einer interfraktionellen Runde die Politiker informiert. Im Laufe der Woche hatten sich die Fraktionen intern beraten. Die Vorlage mit dem Beschlussvorschlag, die Grundsteuer B bis 2018 quasi zu verdoppeln, hatte Griebsch mit einen Sperrvermerk für die Öffentlichkeit versehen. Griebsch: „Rat und Verwaltung sollten die Beratung im Vorfeld unbelastet vornehmen können.“ Die Verwaltungsgremien und die Fraktionen sollten „auf dem Weg zu einer Meinung ohne öffentlichen Druck“ beraten können.

Auf Nachfrage bestätigte Griebsch gestern, dass die Bezirksregierung den am 6. Februar eingereichten Haushaltssanierungsplan am 11. März abgelehnt habe. Im Wesentlichen geht es um die nach Ansicht der Bezirksregierung nicht passenden Projektionsrechnungen der Steigerungsraten für die Schlüsselzuweisungen und die Allgemeine Kreisumlage. Im Stärkungspakt Stadtfinanzen muss die Stadt Werdohl bis 2018 erstmals den Haushaltsausgleich darstellen. Die Bezirksregierung hat der Stadt vorgerechnet, dass sich bis dahin rechnerisch ein Fehlbetrag von zwei Millionen Euro darstelle.

Erhöhung der Grundbesitzabgaben um weitere 45 Prozent

Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung, bestätigte dies gestern auf Nachfrage. Die Bezirksregierung habe die Stadt Werdohl auf diese fehlerhafte Berechnung hinweisen müssen: „Es geht nicht anders, wir müssen den Finger in die Wunde legen, alles andere wäre verantwortungslos.“ Die Bezirksregierung hätte der Stadt aber keine Vorschläge unterbreitet, wie diese Lücke bis 2018 zu schließen sei. Die Erhöhung der Grundbesitzabgaben um weitere 45 Prozent auf dann fast 1000 Prozentpunkte sei eine Idee der Stadt Werdohl.

Der Bezirksregierung sei die Vorlage bekannt, wenn sie den Hauptausschuss am Montag und den Rat am 6. Mai passiere, werde die Bezirksregierung das Haushaltssanierungskonzept genehmigen. Söbbeler: „Die Bezirksregierung hält die Formulierungen für nachvollziehbar.“ Dass Termindruck bestehe, bestätigte Söbbeler ebenfalls auf Nachfrage. Eigentlich hätte die Stadt schon bis zum 30. April einen entsprechenden Beschluss fassen sollen, auf Bitten der Stadt wurde diese Frist bis zum 6. Mai verlängert. Söbbeler verwies bezüglich der Frist auf das Innenministerium und ein entsprechendes Landesgesetz für den Stärkungspakt. Wie es weitergehe, wenn der Rat der Grundsteueranhebung nicht zustimme, sei abzuwarten.

Grund der Beanstandung durch die Bezirksregierung ist das Zusammenschrumpfen der Schlüsselzuweisungen durch das Land für dieses Jahr. Die Stadt Werdohl hatte – wie viele andere Kommunen im Stärkungspakt auch – den Einbruch bei den Schlüsselzuweisungen als einmaligen Effekt angesehen. Bei den Projektionsrechnungen für die Folgejahre wurde wieder von deutlich höheren Zuweisungen durch das Land ausgegangen. In der Vorlage heißt es dazu: „Die Bezirksregierung unterstellt, dass die Stadt bei der Einschätzung der Steigerungsraten von einem zu hohen Niveau ausgegangen ist.“ Durch die Anpassung der Steigerungsraten ergebe sich ein Fehlbedarf bis 2018 in Höhe von 1,1 Millionen Euro.

Schlüsselzuweisungen wurden gestrichen

Ähnlich optimistisch habe die Stadt die Steigerungsraten bei der Kreisumlage eingeschätzt. Nach Anpassung aus Sicht der Bezirksregierung entsteht hier in den städtischen Projektionsrechnungen ein Fehlbedarf von 900.000 Euro.

Diese zwei Millionen Euro entsprechen rein rechnerisch einer weiteren Anhebung der Grundbesitzabgabe um 300 Prozentpunkte. Im Rahmen der Haushaltssanierung hatte die Stadt die Grundsteuer B schon für 2013 um 50 Prozent angehoben. Würde der Vorratsbeschluss am Montag im Hauptausschuss getroffen, hätte sich die Grundbesitzabgabe fast verdoppelt.

Griebsch rechtfertigt den Beschlussvorschlag damit, dass bis 2018 die Schlüsselzuweisungen wieder steigen könnten und sich die Anhebung der Grundbesitzabgabe vermeiden lasse. Der Vorratsbeschluss sei „perspektivisch“. Wenn der Haushalt nicht genehmigt werde, drohe der Stadt der Verlust der kommunalen Selbstverwaltung. Dann würde ein Beauftragter der Bezirksregierung den Haushalt führen und dann sei nicht klar, ob sich die Bäder, die Bücherei und die Musikschule noch halten ließen. Griebsch: „Das können wir uns nicht leisten.“

CDU-Fraktionsvorsitzender Ohrmann tobt: „Das Maß ist wirklich voll. Der Verwaltungsvorschlag ist Wahnsinn.“ Die Werdohler Politik habe das alles nicht zu verschulden. Ohrmann ist sauer auf die Landesregierung, die die Schlüsselzuweisungen den kleinen Städten gekürzt habe. „Die begleiten unser Sanierungskonzept ganz eng und dann streichen sie uns die Schlüsselzuweisungen, das ist doch irrsinnig.“ SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Wershoven steht treu zum Bürgermeister und will erst am Montag im Ausschuss Stellung nehmen. WBG-Fraktionsvorsitzender Willibald Mertens lehnt die Vorlage rundheraus ab. FDP-Fraktionsvorsitzender Friedhelm Hermes wird ebenfalls nicht zustimmen.