Unna / Hamm. Die Klage einer Familie aus dem Kreis Unna gegen eine Kinderärztin ist vom Oberlandesgericht Hamm auch in zweiter Instanz abgewiesen worden. Das Gericht entschied, dass halbseitige Lähmungen eines Säuglings, die aus einem perinatalen Hirnschaden resultieren, für den behandelnden Kinderarzt im ersten Lebensjahr nicht erkennbar sein müssen. Die Ärztin muss kein Schmerzensgeld zahlen.
Halbseitige Lähmungen bei einem Säugling, die aus einem perinatalen (= um den Geburtszeitraum entstandenen) Hirnschaden resultieren, müssen für den behandelnden Kinderarzt im ersten Lebensjahr nicht erkennbar sein. Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am Donnerstag (11.März) entschieden und damit das Urteil aus erster Instanz bestätigt.
Ein Elternpaar aus dem Kreis Unna ließ seinen im November 2005 geborenen Säugling im ersten Lebensjahr von einer niedergelassenen Kinderärztin behandeln. Die Ärztin führte unter anderem die Vorsorgeuntersuchungen U 3, U 4 und U 5 durch, ohne eine Hemiparese zu diagnostizieren. Eine halbseitige Lähmung (linksseitige Hemiparese) und ein Hirnschaden, der die Lähmungen hervorrief, wurden erstmals im Oktober 2006 ärztlich festgestellt.
Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro gefordert
Die Eltern waren der Ansicht, dass ihr Sohn im Falle einer früheren Diagnose nebst Therapie besser behandelt hätte werden können und ein geringeres Maß an Behinderungen gehabt hätte. Sie verklagten die Kinderärztin auf Schadensersatz. Teil der Forderungen waren ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300 Euro ab dem 7. Lebensmonat sowie eine monatliche Mehrbedarfsrente von circa 1100 Euro.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach der Anhörung eines medizinischen Sachverständigen konnte das OLG keine fehlerhafte Behandlung durch die Kinderärztin feststellen. Die Kläger hätten nicht bewiesen, dass die Symptome einer halbseitigen Lähmung für die Beklagte erkennbar gewesen seien. Auch ein Fehlverhalten der Ärztin aufgrund unzureichender Untersuchungsmethoden ist laut Urteil nicht zu erkennen.
Gehirn reift bei Säuglingen langsam
In der Urteilsbegründung wurde ausgeführt, dass entsprechende Nervenbahnen bei einem Neugeborenen langsam über Monate reifen und deswegen auch eine Schädigung des noch unreifen Gehirns ein unspezifisches Erscheinungsbild aufweisen würden. Auch die Eltern hätten die Ärztin erst bei einer Untersuchung im Juli 2006 auf motorische Auffälligkeiten beim Sohn hingewiesen. Bewiesen sei ebenfalls nicht, dass ein früherer Einsatz einer im Oktober 2006 begonnenen Physiotherapie einen verbesserten Zustand bei dem Jungen hätte herbeiführen können.