Lüdenscheid.

„Blech lügt nicht“, sagte Gutachter Martin Kornau am Rande des Prozesses, in dem rund 20 fingierte Autounfälle in und um Lüdenscheid aufgeklärt werden. Wie weit seine Bemerkung trägt, machte der Sachverständige für Verkehrsunfälle im Landgericht sehr deutlich.

Für sein Gutachten über die mutmaßlichen Schadensverläufe an den angeblichen Unfallfahrzeugen besichtigte Martin Kornau die Örtlichkeiten, studierte von der Polizei und Gutachtern gemachte Fotos und besichtigte angebliche Unfallfahrzeuge, die noch nicht repariert waren.

Das Fazit: In den allermeisten Fällen zeigten die Schäden an den Fahrzeugen, dass sich die angeblichen Unfälle nicht so zugetragen haben konnten, wie die Angeklagten und weitere „Unfall“-Beteiligte ursprünglich behauptet hatten.

Spuren an der Leitplanke

Vor allem das Erfolgsmodell der gestellten Unfälle, die Begegnung zweier Fahrzeuge in der Fahrbahnmitte und das behauptete Ausweichen eines der Fahrzeuge nach rechts in die Leitplanke, ließ sich mit den vorhandenen Schäden nicht in Einklang bringen. Die Form der Kratzspuren deutete vielmehr wiederholt auf ein mutwilliges Entlangfahren an der Leitplanke bei geringen Geschwindigkeiten hin. „Wellenförmige Spuren sind immer ein Hinweis, dass das Fahrzeug vergleichsweise langsam bewegt wurde.“

Spuren an einer Leitplanke, die ausnahmsweise noch besichtigt werden konnten, unterstrichen diesen Verdacht: Bei dem „Unfall“ am Römerweg in Lüdenscheid belegten die Spuren, dass der Blechschaden an dem Auto dadurch entstand, dass der Wagen „flach anliegend an der Leitplanke entlang gefahren wurde“. Und die Spurensuche ging weiter: Das durchgewühlte Gras der Bankette verriet, dass das Fahrzeug bei dieser Fahrt beschleunigt wurde und das rechte Antriebsrad durchdrehte.

"Ein Unfall, der nicht 'ohne' ist"

Doch nicht nur die Kratzspuren der Leitplanken, sondern auch die Kollisionsschäden an den zumeist mit minimaler Überschneidung zusammengestoßenen Fahrzeugen belegten, dass die Autos mit sehr geringen Geschwindigkeiten zusammengestoßen sein mussten. Und so hieß es in Martin Kornaus umfangreichem Gutachten immer wieder: „Plausibel ist das Ganze nicht.“

Es gab aber auch andere Fälle: Beim ersten der angeklagten Unfälle auf der Bräuckenstraße etwa fuhr ein Polo einem Mercedes kraftvoll in die Fahrertür. „Ein Unfall, der nicht ‚ohne’ ist“, wertete der Gutachter und sah einen durchaus plausiblen Verlauf. „Wenn man schon einen Unfall stellt, sollte man zu etwas Einfachem greifen“, bemerkte die Vorsitzende Richterin Dr. Fiebig-Bauer.

Das hatten die Angeklagten lange beherzigt, als sie immer wieder leichte Kollisionen in der Straßenmitte mit Leitplankenberührungen verbanden. Die Unfallfolgen wurden so beherrschbar, relativ leicht behebbar und kosteten die Versicherungen viel Geld.

Einziger Nachteil: Die Blechschäden verraten dem geübten Spurenleser, dass sie absichtlich herbeigeführt worden sind.

Der Prozess wird am 19. März fortgesetzt.