Werdohl.

Anlässlich der bundesweiten „Nacht der Bibliotheken“ demonstrierte am Freitagabend in der Werdohler Stadtbücherei Hans Georgi bei seinem Programm „Die Welt ist rund“, wie erschreckend aktuell die Texte des bereits 1974 verstorbenen Autors Emil Erich Kästner heute noch sind: Fremdenfeindlichkeit, Arbeitgeber, die den Lohn ihrer Arbeiter senken wollen, künstliche Intelligenz und Menschen aus dem Reagenzglas sowie Arbeitslosigkeit waren die Themen, die vor 40 Jahren den Dichter beschäftigten - und die heute beim Publikum noch ein Lachen erzeugen, welches im Halse stecken bleibt.

Gute anderthalb Stunden lang präsentierte Georgi „Kästner für Erwachsene“. Dabei stellte er mühelos die Aktualität der Texte heraus. So nahm er die Gedichtzeile des Schriftstellers „Reiche haben Armut gerne“, um sein Programm für einen Augenblick zu unterbrechen, um Spenden für die Deutsche Bank zu sammeln. Euros kamen so derweil nicht zusammen. Lediglich bitteres Gelächter verdiente sich Georgi so.

Nicht nur das Werk des vornehmlich als Kinderbuchautoren bekannten Schreibers stellte Georgi vor, auch die Person dahinter brachte er den Werdohlern näher: „Kästner liebte Vorworte. Er mochte es nicht, wenn jemand mit der Tür ins Haus fiel“, erklärte der Rezitator. Das sei nämlich weder für den Gastgeber gut noch für die Tür.

Georgi begleitete sich in klassisch-kabarettistischer Tradition im halb gesprochenen, nasalen Singsang auf dem Keyboard. So „sang“ er zum Thema „Geburtenschwund“ die beinahe zynische Zeile: „Wer nicht zur Welt kommt, wird auch nicht arbeitslos.“ Doch sei eine Trendwende erkennbar, „denn Frau von der Leyen hat ja bereits sieben Kinder in die Regierung eingebracht“.

Teils lässt Georgi aber sein Tasteninstrument auch alleine spielen, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Die nutzt er dann, um Bürgermeister Siegfried Griebsch in der ersten Reihe eine Triangel in die Hand zu drücken, damit dieser ihn musikalisch unterstütze – sehr zur Freude der gut 25 Anwesenden.

Auch der Klimawandel war Kästner offenbar schon ein Begriff. So textete er einst: „Die Tage regnen in die Pfützen und werden bald ein Jahr.“ Und auch seine Feststellung „Jeder Charakter ist durch zwei teilbar, da Gut und Böse beisammen sind. Doch Bosheit ist unheilbar“ mutet an, als sei sie jüngst erst von einem Polit-Kabarettisten erdacht worden.

Professor Bumke, den Kästner 1932 ersann, scheint in der Tradition zu stehen von Schaf Dolly, Silikon, Doktor Frankenstein und Botox – von der Horror-Roman-Figur abgesehen alles Dinge, die erst nach Kästners Ableben die Menschheit beschäftigten. Doch Professor Bumke erschafft bereits den synthetischen Menschen aus dem Röhrchen. Mit Kästners Worten riet Georgi dem Werdohler Publikum: „Ja, manchmal ist der Kopf vor Gebrauch gut zu schütteln.“ Doch den Bücherei-Besuchern kroch am Freitag ein kalter Schauer über den Rücken, so visionär war der Schriftsteller einst, dass es einen heute gruselt, seine Texte zu hören.