Lüdenscheid. . Der 16 Jahre alte Armbrustschütze aus Lüdenscheid hat einen Amoklauf in der Innenstadt geplant. Ermittler fanden entsprechende Dateien auf seinem Computer.
Lüdenscheid ist womöglich einem Blutbad entgangen: Auf dem Computer des in Haft befindlichen 16-jährigen Armbrustschützen haben Ermittler entsprechende Pläne entdeckt.
Die von den Ermittlern rekonstruierten Computer-Dateien seien eindeutig, berichtete gestern Hagens Staatsanwalt Klaus Knierim dieser Zeitung: „Demnach wollte er in Lüdenscheid wahllos töten.“ Detailliert habe der Gymnasiast seinen Amoklauf beschrieben. „Es war sein Ziel, sich der Dienstwaffen von ausgeschalteten Polizisten zu bemächtigen und sich damit auf den Weg in die Innenstadt zu machen.“ Dort habe er „Menschen umbringen“ wollen. Namen von Personen, Orten oder Straßen habe der Jugendliche nicht genannt.
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Der 16-Jährige hatte vor drei Wochen zwei Polizisten vor einem Lüdenscheider Mehrfamilienhaus unter einem Vorwand in eine Falle gelockt. Mit einer Armbrust und einer Machete attackierte und verletzte er die beiden Beamten leicht, bevor sie ihn überwältigen konnten. Seitdem sitzt der Jugendliche in Iserlohn in Untersuchungshaft.
Der Junge habe mittlerweile von den Amok-Plänen Abstand genommen, berichtet Staatsanwalt Knierim. „Er behauptet, dass er sich erschießen lassen wollte.“ Da er den Beginn des Tatplanes umgesetzt habe, könne ein weiteres Festhalten an seinen Zielen nicht ausgeschlossen werden. Glücklicherweise sei er früh gescheitert.
„Er ist nie zuvor aufgefallen“
Der Fall lässt Klaus Knierim ein wenig ratlos zurück. Es gebe bei dem Gymnasiasten, der bei seiner Mutter lebt, keine Vorgeschichte. „Er ist nie zuvor aufgefallen.“
Frank Peter Rüggeberg, Verteidiger des 16-jährigen Armbrustschützen, versucht, die Aussagen der Staatsanwaltschaft zu relativieren. Sein Mandant sei doch erst 16 Jahre alt. Dem Hagener Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer wirft er vor, amerikanische Verhältnisse heraufzubeschwören. Dabei sei Lüdenscheid weder Columbine noch Blacksburg. „Wenn Rahmer nicht so vehement mit den vermeintlichen Attentatsplänen nach vorne geprescht wäre, wenn er sie in der Öffentlichkeit nicht so hoch gehängt hätte, dann könnte man alles ganz sachlich betrachten.“
Für Rüggeberg spricht vieles gegen einen Amoklauf: So sei der 16-Jährige, der im Internet 22 Pfeile bestellt hatte, nur mit einem einzigen auf die Beamten losgegangen. „Das deutet doch eher auf Selbstmord hin.“ Und bei den Sprengfallen habe es sich um einen mit Benzin gefüllten Kanister und die Reste von Silvester-Böllern gehandelt.
Ein sensibler Junge
Seinen Mandanten beschreibt Rüggeberg als einen intelligenten, aber höchst sensiblen und frustrierten Jungen, der wegen seines Stotterns gemobbt worden sei und unter Liebeskummer litt. Die gelöschten PC-Dateien mit den Plänen für ein Massaker würden ebenso wie ein Lied der Band Linkin Park, das auf einer dieser Dateien gespeichert sein soll, auf Selbstmordabsichten hindeuten. In dem Lied heißt es unter anderem: „Wenn du dich alleine fühlst, Abgeschnitten von dieser grausamen Welt (...) Hör auf dein Herz, diese Engelsstimmen, sie singen zu dir. Sie sind dein Begleiter auf dem Heimweg.“
Nach dem Haftprüfungstermin am Freitag steht für den Hagener Staatsanwalt Klaus Knierim fest: „Der 16-Jährige bleibt im Iserlohner Jugendgefängnis.“ Ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten komme zu dem Schluss, dass bei dem Jugendlichen nicht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen werden kann. Insgesamt, so Klaus Knierim, ergebe sich das Bild einer konkreten Gefährdung für die Menschen, die sich am späten Abend des 11. Januars 2013 in der Lüdenscheider Innenstadt aufhielten.