Lüdenscheid. .

30. Januar 1933: Mit der sogenannten „Machtergreifung“, der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler des Deutschen Reiches durch Reichspräsident Paul von Hindenburg, endet die Weimarer Republik. 30. Januar 2013: 80 Jahre danach bleibt das Datum ein Tag des Gedenkens und der Mahnung. Über ein dunkles Kapitel auch in der Geschichte Lüdenscheids schreibt Matthias Wagner von den „Ge-Denk-Zellen“ im alten Lüdenscheider Rathaus. Im ersten Teil seines Beitrags für die WR blickt der Friedensfreund zurück auf eine wesentliche Ursache: die Weltwirtschaftskrise.

Die Wirtschaftskrise

„Als 1929 die Weltwirtschaftskrise zu den politischen Konflikten und den sozialen Spannungen hinzukam, wurden immer mehr Deutsche verunsichert und von Abstiegsängsten erfasst. Nur die SA und die Nationalsozialisten schienen noch die Kraft und die Macht zu besitzen, für Ordnung und Hoffnung zu sorgen. Deshalb wählte eine Mehrheit 1933 die NSDAP zur stärksten Partei, die die Regierung bildete. Reichspräsident von Hindenburg, der als General im 1. Weltkrieg Siege errungen hatte, ernannte am 30. Januar 1933 Adolf Hitler, den Führer der NSDAP, zum Reichskanzler.

Sozialisten demonstrieren

In Lüdenscheid gab es die NSDAP seit 1923. Mit dem Jahr der Weltwirtschaftskrise stieg ihre Bedeutung. Aber in den Kommunalwahlen von 1929 konnte sie noch keinen Sitz im Stadtrat gewinnen. Am Abend des 30. Januar 1933 versammelten sich sozialistische Lüdenscheider auf dem Karlsplatz (heute: Rathausplatz) und demonstrierten gegen den neu ernannten Reichskanzler, der auch „Bluthund“ genannt wurde, weil die Nationalsozialisten mit Fäusten und Waffen gegen ihre Gegner vorgingen und manchen ermordeten. Der damalige Polizeichef Rüdiger schritt nicht mit der Polizei gegen die Demonstration ein. Auch Bürgermeister Dr. Schneider, der zu Beginn der Weimarer Republik der liberalen Deutschen Demokratischen Partei angehört hatte, hielt sich zurück. Dagegen protestierte die NSDAP beim zuständigen Polizeipräsidenten in Bochum. Der entließ den Lüdenscheider Polizeichef und schickte einen kommissarischen Polizeioffizier.

Polizei: Die SA übernimmt

Nach einigen Wochen wurde er von dem Hagener SA-Brigadegeneral Escher abgelöst. Inzwischen waren hier 27 SA-Mitglieder nach dem Reichstagsbrand in Berlin als Helfer der Polizei eingestellt. Die staatliche Polizei wurde immer stärker zur Polizei der NSDAP.

Verfolgte Kommunisten

Davon waren nach der Reichstagsbrand-Verordnung besonders Kommunisten betroffen, weil sie sich am radikalsten gegen die NSDAP gewehrt hatten. Mehr als hundert von ihnen und anderen Kritikern der NSDAP wurden in Lüdenscheid schon 1933 nach den Angaben des Verwaltungsberichts verhaftet und mehr als 600 in Deutschland ermordet. Die Angst vor der tödlichen Gewalt der Gegner zeigte sich in den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen um den Eisenbahntunnel Lösenbach unter der Heedfelder Straße. Hier versteckten sich viele Wochen lang aus Angst vor der Gefangennahme und der Ermordung Lüdenscheider Kommunisten. Nationalsozialisten trauten sich nicht hinein, weil viele Mitarbeiter der Bahn zu den Gegnern der NSDAP zählten und zu jeder Zeit eine Lokomotive fahren konnte, die für Ortsunkundige im Tunnel zur Todesmaschine wurde. Informierte Ehefrauen brachten den Versteckten täglich Nahrung zum Überleben.

Lüdenscheid wählt NSDAP

In der Reichstagswahl vom März 1933 erhielt die NSDAP in Deutschland 43 Prozent, in Lüdenscheid-Stadt 33 Prozent und in Lüdenscheid-Land 42 Prozent. Nach dem Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ führte die NSDAP bis zum Sommer die NS-Diktatur ein.

Auch aktive Sozialdemokraten wurden verhaftet. Mit der Reichstagsbrand-Verordnung verband die NSDAP das Verbot der SPD-nahen Zeitungen, so dass die hiesige „Volksstimme“ ab Februar 1933 nicht mehr erscheinen konnte. Der SPD-Zentralverlag des „Vorwärts“ in Berlin wurde von Karl Schumann aus Bochum aufgelöst, der 1935 auf Wunsch des NSDAP-Kreisleiters Walter Borlinghaus dank seines Empfehlungsschreibens von Minister Goebbels zum Oberbürgermeister von Lüdenscheid (1935-1944) ernannt wurde.