Lüdenscheid. .
Eine kleine Industriestadt zwischen der Wilhelminischen Epoche, Erstem Weltkrieg und Weimarer Republik – das war Lüdenscheid in den Jahren zwischen 1880 und 1930. Die WR-Serie des ehemaligen Stadtarchivars Dieter Saal wirft einen Blick in den Akte X von Lünsche. Heute: 1924
Die Statistik weist zahlreiche Sittlichkeitsverbrechen an Minderjährigen auf.
6. Januar: Die Polizei macht gewerbsmäßige Betrüger und Kursschwindler in Person zweier hiesiger Burschen dingfest.
9. Januar: Der mehrfach vorbestrafte Arbeiter B., der an einem Einbruch im Linneper Sprengstofflager beteiligt war, wird von der Hagener Strafkammer zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt.
22. Februar: Ein Lehrling unterschlägt bei seiner Firma einen Wertbrief, worauf ihm zahlreiche Unterschlagungen von Geschäftsbriefen und Geldsendungen nachgewiesen werden.
11. März: In den Nachmittagsstunden kommt es in dem Folien- und Streifenwalzwerk von Hueck und Büren, Wiesenstraße, auf ungeklärte Weise zu einer Explosion des Gießofens, wodurch dieser samt dem Gießhaus in die Luft fliegt. Ebenso werden die dahinter liegenden Kellerräume vollständig zertrümmert. Die Detonation, die den nordöstlichen Teil der Stadt erschüttert, ist so stark, dass ein vor dem Werksgebäude stehender Möbelwagen, der mit ausgewalztem Aluminium beladen ist, von dem heftigen Luftdruck gänzlich vernichtet wird, und dass Fensterscheiben in der Obertinsberger Straße und Goethestraße springen. Zur Zeit des Unglücks herrscht gerade Kaffeepause, so dass Menschenleben nicht zu beklagen sind.
13. März: Die Frau des Landwirts N. aus Oelmühle wird wegen Milchfälschung, ihr Ehemann wegen fahrlässigen Verkaufs gefälschter Milch zu Geldstrafen verurteilt.
April: In einem von Elberfeld kommenden Schweinetransport wird eine furchtbare Roheit verübt, indem kurz vor Lüdenscheid ein Schwein quer durchgeschnitten und dessen Hinterteil mitgenommen wird.
24. Juli: Morgens entlädt sich ein heftiges Gewitter mit Blitzeinschlägen in einen Fabrikschornstein in der Humboldtstraße und in die Umfassungsmauern des Schulhofs in der Kerksigstraße.
19. August: Die Aluminiumfabrik von Gebrüder Vollmann, Breitenloher Straße, brennt vollständig aus.
2. September: In der Nacht erfolgt ein Postraub am letzten Wagen eines von Hagen kommenden Zuges. Geraubt werden aus der für Lüdenscheid bestimmten Paketpost mehrere Pakete.
10. September: Eine Falschmünzerbande wird von der hiesigen Polizei festgenommen.
19. September: Wegen Erpressungen, begangen an einem hiesigen Bürodirektor, wird ein Maurerhandlanger aus Elberfeld von der Hagener Strafkammer zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
29. September: Ein 11-jähriger Knabe wird von einem auswärtigen Personenauto auf der Altenaer Straße tödlich überfahren.
15. Oktober: Hohe Zuchthausstrafen wegen Meineids verhängt das Hagener Schwurgericht über zwei hiesige Arbeiter und einen Tabakhändler, die im September 1923 an einem Gänsediebstahl beteiligt waren.
18. Oktober: Aus einem Teich in der Lösenbach wird eine Frau herausgezogen, die im Städtischen Krankenhaus verstirbt.
28. Oktober: Ein altwestfälisches Bauernhaus in Brüninghausen wird durch Brand schwer beschädigt. Es handelt sich um das Besitztum des Oberpolizeiwachtmeisters Füllgraf und der Witwe W. Cordt.
29. Oktober: In der Nacht ereignet sich ein schweres Autounglück in der Nähe der Pöppelsheimer Mühle, Talstraße, wo ein von Brügge kommendes Personenauto aus Köln, in dem außer dem Fahrer ein Lüdenscheider Ehepaar sitzt, infolge Blendung durch den Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos gegen einen Baum fährt und sich überschlägt. Die Frau erleidet eine Gehirnerschütterung.
10. November: Eine Dame, die mit dem Frühzug nach Brügge fährt, wird nach Passieren des Lösenbacher Tunnels von einem Burschen überfallen und mit Vergewaltigung bedroht. Es gelingt ihr, die Notbremse zu ziehen, worauf der Bursche verschwindet.
14. Dezember: Zwei maskierte Kerle dringen in den Laden des Konsumvereins „Einigkeit“ in Mühlenrahmede ein und kommandieren mit vorgehaltenem Revolver „Hände hoch!“ Der 19-jährige Sohn des Verwalters hat die Geistesgegenwart, den Einbrechern ein schweres Gewichtstück entgegenzuschleudern. Der Revolver entlädt sich, worauf die Räuber das Weite suchen.