Unna. . Klaus Koppenberg gewährt einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte, die sich mit der Unnaer Geschichte befassen.
In die Diskussion um ein neues Denkmal für die aus Unna stammenden jüdischen Opfer des Hitler-Regimes hat sich zuletzt der Sozialarbeiter Klaus Koppenberg stark eingemischt. Mit dem Hinweis, ohne die Täter beim Namen zu nennen, sei kein vollständiges Gedenken möglich. Redakteur Volker Stephan befragte Koppenberg nach seinen Motiven. Koppenberg gewährte einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte, die sich mit der Unnaer Geschichte befassen.
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Herr Koppenberg, warum ist es Ihrer Ansicht nach so wichtig, auch den Unnaer Tätern während der Nazi-Zeit ein Gesicht zu geben?
Koppenberg: Weil nur derjenige Geschichte wirklich versteht, der das Täter-Opfer-Verhältnis beurteilen kann. Ich muss die Motive der Menschen kennen. Viele waren damals schlicht und haben sich nicht ausreichend über die Nazis informiert. Es gab auch in Unna viele Demokratieskeptiker. Die waren offen für anti-kommunistische Parolen. Die anti-semitischen Tendenzen der Nazis haben sie nicht wahrgenommen oder ausgeblendet. Und Kirchen, Zeitungen und Unternehmer glaubten, einen Vorteil aus der Zusammenarbeit mit den Nazis ziehen zu können.
Wie war das in Unna?
Auch in Unna haben viele profitiert. Sie müssen aber bedenken, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gesellschaft viel gespaltener war. Die christlichen Kirchen lebten in ihren eigenen Welten, die Juden waren im Alltag noch isolierter. Da alle nur an sich dachten, der Kitt in der Gesellschaft nicht sehr fest war, hat sich in der aufgeheizten politischen Situation keiner für die Demokratie eingesetzt.
Wie verstehen Sie Ihre Rolle heute?
Ich versuche, die Geschichte der Judenvertreibung in Unna neu zu erzählen. Dazu zählt auch ein Projekt, das ich mit Wilhelm Hochgräber aus der Geschichtswerkstatt Holzwickede vorantreibe. Wir analysieren im Unnaer Stadtarchiv die Zeitungen danach, wie ihre Gesinnung vor Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 war – und wie danach.
Was soll die neue Geschichte der Judenvertreibung in Unna anders darstellen?
Wir versuchen zu beschreiben, dass die jüdischen Mitbürger mehrfach betrogen und beraubt worden sind. Auch nach Kriegsende bei der Wiedergutmachung.
Wie meinen Sie das?
Nun, in Unna und anderswo spielten Anwälte dabei eine wichtige Rolle. Die so genannten Arier hatten ja am Eigentum der jüdischen Mitbürger verdient, indem sie für ganz wenig Geld die Geschäfte und Immobilien von Juden übernommen haben. Bei dieser Form der Enteignung haben Anwälte und Notare mitgeholfen. Und nach dem Ende des Krieges, als es um die Wiedergutmachung ging, haben diese Anwälte oft noch einmal die deutschen Eigentümer juristisch vertreten. Um die Ausgleichszahlungen so gering wie möglich zu halten.
Würden Sie für Unna Namen nennen?
Im Sinne, dass ich jemanden anprangern will? Klares Nein! Ich reagiere darauf, wenn Zusammenhänge verkürzt dargestellt werden.
Wann zum Beispiel?
Wenn im Zusammenhang mit dem Jubiläum des Unnaer Kaufhauses Schnückel in Werbung und Zeitungstexten von einer „Geschäftsgründung“ gesprochen wird.
Was soll daran „verkürzt“ dargestellt sein?
Das Geschäft wurde in dem Sinne nicht gegründet, sondern ging von einem jüdischen Eigentümer nicht freiwillig auf den deutschen Nachfolger über. Der Ort, das Warenangebot, das Inventar – alles war schon vorhanden, kaum etwas davon hat sich wesentlich geändert.
Erwarten Sie für Ihre Haltung große Zustimmung vor Ort?
Nein. Ich werde auch von Politikern gefragt, warum ich das tue, ob ich Schnückel oder anderen schaden wolle. Das will ich ausdrücklich nicht und tue es auch nicht. Den historischen Zusammenhang zur Entstehung des Kaufhauses stellt das Unternehmen ja selbst öffentlich her. Es ist aber auch eine schwierige Lage für diese Unternehmen.
Was wäre eine Lösung?
Firmen wissen selten, wie sie die eigene Geschichte aufarbeiten können. Historiker könnten aus dem Dilemma helfen.
Aus welchem Dilemma?
Wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen gerecht zu werden. Solange Schnückel alle fünf Jahre auf ein neues Geschäftsjubiläum öffentlich hinweist, werde ich öffentlich reagieren.
Auf welchem Weg?
Ich werde Leserbriefe schreiben. Da Ihre Lokalredaktion dann nicht mehr existiert, werde ich den Hellweger Anzeiger als letzte Redaktion vor Ort anschreiben. Ich gehe nicht davon aus, dass alles von mir abgedruckt wird. So nutze ich andere Foren und die mir offen stehenden Kanäle: Mein Profil auf Facebook und meine Seite auf lokalkompass.de, also Internet.
Ich kann und möchte nur für die Lokalredaktion Unna der Westfälischen Rundschau sprechen. Welche Erfahrung haben Sie mit uns gemacht?
Ihre Redaktion hat meine Leserbriefe ungekürzt veröffentlicht. Allerdings hat zunächst eine Diskussion stattgefunden, so dass mein Brief, der das Thema Schnückel anspricht, nach etwas Verzögerung gedruckt worden ist.
Warum sind Leserbriefe ein Problem?
Ich weiß, dass bei privat-wirtschaftlich geführten Medien und Unternehmen die wirtschaftlichen Interessen groß sind. Eigentlich kein Problem, wenn die Vielfalt gewährleistet ist. Ich kann dann Leserbriefe so an die jeweilige Redaktion anpassen, dass wenigstens das Thema öffentlich wird, auch wenn ich selbst einige Passagen ändere. Demokratie wird aber anfällig, wo es nur noch eine Meinung gibt. Wenn es zu einer Monopolisierung in der Gesellschaft und damit auch in den Medien kommt, was wird dann aus der Demokratie?