Bergkamen .

Da ist das Kind, das mit seiner Familie ausziehen muss, weil die Gestaltungssatzung keinen behindertengerechten Umbau erlaubt. Da ist das historische Rathaus, das für Behinderte nicht zugänglich ist, weil der Denkmalschutz dagegen ist. Und da ist das Contergan geschädigte Ausschussmitglied, dem man lieber aus dem Weg geht, weil man keine Ahnung hat, wie man ihm die Hand geben soll.

Inklusion ist immer noch mehr Schlag- und Fremdwort als Realität. Ein gutes Thema für die CDU, um das neue Jahr einzuläuten. Mit diesen Beispielen führte jedenfalls Hubert Hüppe als Festredner des traditionellen Neujahrsempfangs plastisch vor Augen, wo das Problem bei diesem politischen Thema liegt, das „schon als Begriff für viele nicht barrierefrei ist“. „Das größte Problem sind die Menschen ohne Behinderung – die Schwerstmehrfachnormalen –, die nicht gelernt haben, mit Behinderungen umzugehen“, so der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen sei auch vier Jahre nach Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention „das Trennende“ immer noch Alltag, werde sogar auf absurdeste Weise gefördert.

In Kindertagesstätten müssten Eltern von Kindern mit Behinderungen immer noch gezielt nach Inklusion suchen. Fonds für die Entschädigung für Missbrauch in Jugendeinrichtungen seien nur für Nichtbehinderte bestimmt. Polizeiliche Führungszeugnisse seien für Kindergärten gefordert – nicht aber für Einrichtungen für Behinderte. Stattdessen „wird Eingliederungshilfe für Ausgliederung gezahlt“. Das Bildungssystem sei mit Förderschulen die personifizierte Ausgliederung.

Deutschland sei mit seiner gewollten Trennung beinahe einzigartig in Europa. Hubert Hüppe erntete großen Applaus für seine Forderung, endlich nicht mehr den Makel überwinden und „alle gleich machen“ zu wollen. „Die Unterstützung muss den Menschen folgen, ihre Stärken sehen und fördern“, zumal in den letzten mehr als zehn Jahren der Zuwachs von geistig behinderten Schülern bei 50 Prozent gelegen habe, 7000 neue Plätze in Behindertenwerkstätten eingerichtet worden seien. Das Denken müsse weg vom Erhalt der Strukturen gerade im Bildungsbereich, was nicht bedeute, dass Bewährtes abgeschafft werden müsse. Das würde langfristig auch viele Kosten sparen.

„Wer Inklusion will, sucht Wege. Wer sie nicht will, sucht Begründungen“, schloss Hüppe seinen beklatschten Vortrag – nicht ohne noch darauf hinzuweisen, dass auch dieser Veranstaltung und seinen Worten kein Gehörloser hätte folgen können. Bessere Unterstützung für die Eingliederung auf den ersten Arbeitsmarkt, ein Budget für Arbeit und ein Umdenken in den Köpfen: Das sind für Hüppe erste Wege, die es zu suchen gilt.