Plettenberg. .

Im zweiten Teil der WR-Serie über die Erfahrungen von Sterbe- und Trauerbegleiterinnen des Vereins Netzwerk Hospizarbeit Plettenberg berichtet heute Helga Rohrmann über die Trauerbegleitung ihrer Tante:

Mehr als zwei Jahre lang begleitete ich eine ältere Dame durch ihre Trauerzeit, die damit begann, dass ihr Mann krank und später bettlägerig wurde. Eine schwere Erkrankung, die er sich in den letzten Kriegsjahren zugezogen hatte, brach wieder auf, und es bestand keine Aussicht auf Besserung. Sie hat ihren Mann bis zum Schluss nicht alleine gelassen, konnte die letzten Tage seines Lebens in der Klinik bei ihm bleiben, bevor er ins Koma fiel. Sie und ihr im März 2011 verstorbener Mann waren 64 Jahre verheiratet – ein Grund mehr, warum es ihr schwerfiel, die Trauer zu verarbeiten.

Obwohl sie damit rechnen musste, dass ihrem Mann nicht mehr viel Zeit zum Leben bleiben würde, war dessen Tod für sie ein Schock. Das größte Problem für die Witwe stellte das plötzliche Alleinsein im Haus dar. Alltägliches wie das gemeinsame Frühstück und das „Durchhecheln“ der Zeitung, wie sie die allmorgendliche Lektüre mit anschließender Diskussion der wichtigsten Nachrichten des Tages nennt, fehlten ihr nun. „Ich weiß ja, dass er sterben musste. Und auch, dass es für ihn eine Erlösung war und dass bei seiner Pflege meine körperlichen Grenzen mehr als erreicht waren. Trotzdem frage ich mich immer wieder, warum er sterben musste.“

Der Frage nach dem „Warum?“ begegne ich immer wieder in meiner Trauerarbeit. Es gibt darauf keine einfache Antwort. Der älteren Dame entgegnete ich, dass sie gerade auf Grund der sehr schweren Erkrankung ihres Mannes und der damit verbundenen Belastungen sowohl für ihn wie für sie selbst auch dankbar sein dürfe, dass ihr Mann sterben durfte. In vielen Gesprächen erzählte sie mir von Besuchen bei ihren Kindern und Enkeln. Diese Tage machten ihr Freude und gaben ihr Kraft. Danach fiel sie allerdings regelmäßig in tiefe Trauer zurück.

Viele positive Eindrücke

Da es in ihrer Stadt viele Angebote für ältere Bürger gibt, habe ich ihr einige Monate nach dem Tod ihres Mannes dazu geraten, ihre frühere Teilnahmen an Kursen oder Treffen wieder aufzunehmen, um Abwechslung in ihren Alltag zu bekommen und etwas zu haben, auf das sie sich freuen kann. Diesen Rat hat sie beherzigt. Und ich freue mich darüber, von ihr zu hören, dass sie in ihrer Gedächtnis-Trainings- wie auch ihrer Malgruppe sehr verständnisvoll aufgenommen worden sei.

Vor längerer Zeit erzählte sie mir, dass sie sich entschlossen habe, in ein Seniorenheim zu ziehen. Sie habe sich dort für ein hübsches Appartement angemeldet und freue sich darauf. Vor allen Dingen habe sie jetzt noch Zeit, ihre persönlichen Sachen zu ordnen und selbstständig alles das auszusortieren, was sie nicht mehr benötige.

Sie machte einen spürbar zufriedeneren Eindruck, mit sich und der Welt im Reinen, weil sie selbst diese Entscheidung getroffen hat. Inzwischen ist sie umgezogen und fühlt sich in ihrer neuen Wohnung wohl.

Für mich, glaube ich, geht diese Trauerbegleitung nun langsam zu Ende. Eine Begleitung, die mir nicht immer leicht fiel, weil es meine Tante ist, die ich begleitet habe. Aus dieser Begleitung aber habe ich selbst, trotz meiner eigenen Trauer um meinen Onkel, viel Positives mitnehmen können. Und sei es nur die Dankbarkeit meiner Tante, dass ich dagewesen bin, als ihre Kinder keine Zeit dafür fanden, da sie noch berufstätig sind. Dass sie mich anrufen konnte, wann immer sie wollte, um ihr Herz auszuschütten. Und dass ich schweigend zugehört habe, während sie geweint hat, ihr einfach diese Zeit der tiefsten Trauer gelassen habe. Diese positiven Eindrücke werden mir in den nächsten Trauerbegleitungen helfen.