Schwerte. . Im Nahen Osten leben ihre Völker im Konflikt miteinander. In Schwerte verstehen sich Jugendliche aus Israel und den Palästinensergebieten bestens. Gemeinsam mit Rockstar Jule Neigel zeigen sie Samstagnachmittag eine multinationale Revue.

In der St. Viktor Kirche gerät Rockmusikerin Julia (Jule) Neigel am Freitag sofort ins Schwärmen, als sie über ihre Schützlinge spricht: „Die Kids sind lustig, sehr offen, sie verstehen sich und sie arbeiten konzentriert für unsere Aufführung.“ Neigel spricht von 40 Jugendlichen aus Israel, aus Palästina und aus Schwerte. Im Rahmen eines Austauschs erarbeiten sie eine Revue, die bereits Samstagnachmittag zur Aufführung kommt.

Die Jugendlichen sind in drei Gruppen aufgeteilt: Chor, Instrumentalisten und Tänzer. Die Sänger trainiert Rockstar Neigel persönlich. Der Drei-Nationen-Chor gibt „All you need is love“. Gänsehaut überkommt den Zuhörer bereits bei den ersten Proben am Freitagmorgen. „Jetzt probieren wir es mal dreistimmig“, gibt die 42-Jährige vor. Ein mildes Lächeln wirft sie einem Jungen mit Palästinensertuch zu, der eine Tick zu früh einsteigt. „Die Palästinenser haben ein ganz anders Rhythmusgefühl als wir mit unserem Vier-Viertel-Takt. Ähnlich vielleicht dem spanischen Flamenco, aber ganz bin ich auch noch nicht dahinter gestiegen.“

Wiedersehen am Checkpoint

Neigel ist erst Freitagmorgen in Schwerte angekommen. Samstagabend muss sie auch schon wieder los.

 Mohammad Raed Yannis (22), Tulkarm City, Westjordanland: 
„Dieses Projekt verbindet die Herzen der Menschen, vor allem die Musik kann das. Ich glaube, was wir lernen, ist: Wir sind alle Menschen. Israelis und Palästinenser sprechen hier als Freunde miteinander. Auch, wenn es politisch wird, ist die Diskussion sehr gut und nützlich. Letztlich ist es nur umstritten, wie wir den Frieden schaffen. Aber dafür brauchen wir keine Hilfe von außen. Ich hoffe, wir sehen unsere israelischen Freunde wieder, aber das ist kompliziert.“
Mohammad Raed Yannis (22), Tulkarm City, Westjordanland: „Dieses Projekt verbindet die Herzen der Menschen, vor allem die Musik kann das. Ich glaube, was wir lernen, ist: Wir sind alle Menschen. Israelis und Palästinenser sprechen hier als Freunde miteinander. Auch, wenn es politisch wird, ist die Diskussion sehr gut und nützlich. Letztlich ist es nur umstritten, wie wir den Frieden schaffen. Aber dafür brauchen wir keine Hilfe von außen. Ich hoffe, wir sehen unsere israelischen Freunde wieder, aber das ist kompliziert.“ © WAZ-Fotopool

Zwischen Tabaluga und einem Casting fürs Fernsehen coacht sie für anderthalb Tage diese Gruppe. Sie weiß, dass Musik verbindet, daher ist ihr klar: „Wenn alle Menschen Musik machen würden, würde auf der Welt alles besser funktionieren.“

Die Jugendlichen, die sich in Schwerte begegnen, Freundschaft schließen, sich necken und Spaß haben, sie könnten bereits in wenigen Jahren wieder aufeinander treffen. Wenn zum Beispiel Mohammad aus Tulkarm City zur Universität nach Nablus fährt und am Checkpoint von einem jungen, israelischen Soldaten kontrolliert wird. „Genau in so einer Situation ist es wichtig, dass beide Seiten wissen: Das ist nur ein Mensch und kein Monster“, erläutert Dr. Shmulik Lahar, der die Gruppe begleitet.

Alexandra Nemou (15), Holon, Israel:
Alexandra Nemou (15), Holon, Israel: "Als ich hörte, dass es ein Projekt mit Palästinensern gibt, wollte ich sofort dabei sein. Denn mein Wunsch war es immer schon, Palästinenser zu treffen. Ich habe dazu sonst keine Möglichkeit. Jetzt weiß ich , es sind ganz freundliche Menschen. Das Projekt führt dazu, dass wir einander anhören und Fragen stellen können. Das müssen auch die Regierungen tun. Und es sollte solche Projekte in Israel geben. Dann haben wir vielleicht irgendwann Frieden. Aber das braucht viel Zeit.“ © WAZ-Fotopool

Die junge Israelin Alexandra (15) weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass viele israelische Soldaten sich weigern, an Operationen in den Palästinensergebieten teilzunehmen. „Sie gehen lieber ins Gefängnis. So würde ich es auch machen. Ich will mich später als politische Journalistin für den Frieden einsetzen.“

Die Jugendlichen wirken sehr reflektiert und abgeklärt. Wenn sie sich jetzt in Deutschland eine Woche ganz frei bewegen können, ist es für alle ein Traum, den sie sich auch für ihre Heimat wünschen.

Denn auch Israelis können sich nicht frei bewegen. Ein Besuch in den Palästinensergebieten bei den neuen Freunden ist verboten. Grund genug, die Zeit in Schwerte zu nutzen. Gegenseitig bringen sie sich traditionelle Tänze bei, die sie am Samstag aufführen. „Da mische ich mich gar nicht ein, du siehst doch selbst, wie konzentriert die Kids arbeiten“, sagt Neigel.

Söhnke Kramer (19), Schwerte, Deutschland
Söhnke Kramer (19), Schwerte, Deutschland "Unsere Rolle als Gastgeber ist eigentlich so angelegt, dass wir Mediatoren sind, wenn es Streit gibt. Aber das ist überhaupt nicht notwendig. Untereinander haben sich die Palästinenser und die Israelis sofort gut verstanden. Religion ist eigentlich gar kein Thema. Ich selbst kenne die Gemeinde seit meiner Konfirmationszeit. Als ich von dem Austausch gehört habe, wollte ich sofort mitmachen. Im Frühjahr waren wir im Nahen Osten. Eins ist sicher: Die Einwohner dort wollen Frieden.“ © WAZ-Fotopool

Am Ende sollen alle Kulturen ineinander fließen bei der großen Revue Samstagnachmittag. Mohammad wird auf dem Cajon den Beatles-Klassiker mit der gemischt-ethnischen Band (angeleitet von Neigel-Gitarrist Mathias Kiefer) trommeln und dann soll es nahtlos übergehen in folkloristische Darbietungen. Natürlich wird Julia Neigel auch solo eine Kostprobe ihrer Musikalität geben.

TERMIN: Trinationale Revue mit Julia Neigel: Samstag, 15. Dezember, 15 Uhr, Paul-Gerhardt-Haus. Eintritt frei.