Bergkamen. .

Liebesbriefe, zusammengebunden mit einer roten Schleife. So süße Erinnerungen haben viele jungen Menschen gar nicht mehr in der Schublade. Das 21. Jahrhundert wird dominiert von SMS und E-Mails, oder von Facebook. Doch die alten Briefe sind heute geschichtliche Dokumente. Sie erinnern an die Zeit der Feldpost, der Schützengräben oder der russischen Gefangenenlager.

„Das sind Geschichten, die in keinem Geschichtsbuch zu finden sind“, sagt Museumsleiterin Barbara Strobel. Deshalb hat sie zusammen mit Gabriele Scholz viele dieser Erinnerungen in Briefform gesammelt. Das Ergebnis sind rund 100 Seiten, die ab sofort käuflich zu erwerben sind.

Etwa die Geschichte der jungen Hannelore aus Oberaden, die im Jahr 1942 ebenfalls wie ihre Freundinnen Post von der Front bekommen möchte. Doch sie kennt keinen Soldaten an der Frost, hat dort auch keinen Bruder. Deshalb schreibt sie einen Brief „an den unbekannten Soldaten“. Und bekommt Antwort von Alfred aus Berlin, der auf einem Militärflughafen in Sizilien seinen Dienst tut. Ein regelmäßiger Schriftverkehr beginnt, bis Alfred ein Jahr später an Weihnachten vor der Tür in Oberaden steht. Ein mutiger Schritt, denn er hat nur einen Urlaubsschein für Berlin. Nach dem Krieg kommt Alfred wieder – und bleibt für immer. Als er stirbt, sind er und seine Frau 52 Jahre verheiratet. Viele Oberadener kannten ihn. Alfred König war jahrelang Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Oberaden.

Friedrich Potthoff hat diese ungewöhnliche Liebesgeschichte für das neue Zeitzeugenheft „Wer schreibt, der bleibt“ verfasst. „Ich kenne Frau König schon seit Jahrzehnten. Sie hatte Vertrauen zu mir“, sagt er.

Doch nicht jeder Briefwechsel war für das neue Zeitzeugenheft geeignet. „Ich habe in einer Zigarrenkiste Briefe meiner Schwiegermutter gefunden“, sagt Gabriele Scholz. Sie blieben in der Kiste. „Es war einfach zu privat.“

Viele andere Erinnerungen wurden jedoch für das Heft zur Verfügung gestellt: Die erste (rosarote) Valentinskarte, die Ursula Janik 1961 von ihrem Brieffreund aus Kanada erhielt. Der Liebesbrief an „mein innigst geliebtes Hedchen“ aus dem Jahr 1920. Die Post vom Schwiegervater, die erst nach seiner amerikanischen Gefangenschaft (1945) zu Hause ankam.

Auch Abbildungen gibt es. Etwa von der „Postkarte für Kriegsgefangene“ (1946). Oder vom Brief aus Frankreich, mit dem die Familie im Mai 1916 informiert wird, dass der Sohn Heinrich durch einen Kopfschuss getötet wurde. Oder auch eine Einkommenssteuerabrechnung aus dem Jahr 1944.

„Was für eine Zeit. Die Briefe waren oft die einzige Verbindung zur Heimat. Es gab ja keine Computer oder Telefone“, sagt Barbara Strobel. Und selbst als die moderne Technik einzog, verlor die Post noch nicht ihre Bedeutung. Günter Disselhoff, der zwischen 1960 und 1989 als Postzusteller in Oberarbeiten arbeitete, erinnert sich noch an die früheren Weihnachtsfeste: Damals verdoppelte sich die Postmenge durch die Briefe und Päckchen aus der DDR.

INFO

„Wer schreibt, der bleibt“. So heißt das mittlerweile 28. Heft der Bergkamener Zeitzeugen.

Für 2,50 € ist das Heft im Museum, im Rathaus und in der Bücherei erhältlich. Zudem wird es am kommenden Wochenende auf dem Oberadener Weihnachtsmarkt verkauft.

Das nächste Heft soll sich mit dem „Trauten Heim“ beschäftigen. Wer dazu Fotos oder persönliche Erinnerungen besteuern kann, ist immer im Zeitzeugenkreis willkommen. Er trifft sich an jedem 3. Dienstag im Monat um 14.30 Uhr im Museum. Nächster Termin: 15. Januar 2013. Kontakt: (02306) 30 60 210.